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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0495
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Einleitung

erhob das Bartholomäusstift Klage beim Rat. Dieser wies die Verantwortung von sich und stellte die
Entscheidung ins Ermessen seiner Bürger.37
Anfang 1528 unternahmen die beiden Prediger Melander und Algesheimer einen Versuch, den Rat zu
einer klaren religionspolitischen Linie zu bewegen, indem sie eine Liste mit reformbedürftigen Punkten
einreichten. Unter diesen fand sich auch die Forderung, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu reichen.
Der Rat beschloss: Dieses aber wolte er nicht erlauben, auch nicht verbieten, sondern einen jedweden seiner
Andacht, so wie ers zu verantworten getrauete, pflegen lassen.38 Ebenso wie bei der evangelischen Taufe 1527
wich der Rat der Entscheidung aus. Am 18. März 1528 feierten Melander und Algesheimer das Abendmahl
erstmals unter beiderlei Gestalt.39
Auf die Forderung der Prediger, eine Abendmahlsordnung zu erlassen, ging der Rat zunächst nicht ein.
Allerdings beugte er sich erneut dem Druck der evangelischen Gemeinde, indem er 1529 Johann Cellarius
und Peter Pfeiffer gen. Chomberg als weitere Prediger anstellte.40 Peter Pfeiffer war zuvor Guardian des
Barfüßerklosters gewesen, dessen Konventualen am 2. Juni 1529 gegenüber dem Rat ihren Austritt erklärt
hatten.41 Das Kloster wurde aufgehoben, die acht Mönche vom Rat mit Leibgedingen ausgestattet.42
Erst Anfang 1530 traf der Rat eine Entscheidung hinsichtlich einer Abendmahlsordnung: Er beauf-
tragte die vier evangelischen Prediger, hierfür einen Text zu entwerfen, der am 10. Februar vorlag.43 Die
daraus von Johann Cellarius ausgearbeitete und von allen Predigern unterzeichnete Ordnung vom 3. März
1530 (Nr. 1) regelte zum einen die Predigtgottesdienste in den Frankfurter Kirchen und führte zum anderen
den Ablauf des sonntäglichen Gottesdiensts detailliert aus.44 Das Abendmahlsformular ist teils dem mit-
telalterlichen Predigtgottesdienst entlehnt, teils spiegelt sich der Einfluss von Luthers Deutscher Messe
darin wider.45 Der lutherische Anteil ging auf den aus Wittenberg stammenden Johann Cellarius zurück.

Tagebuch: Item 16. maji hat man Johanni Algesheimer,
einem Lutherischen prediger hie zu Frankfort, ein junge
dochter getauft solcher gstalt: man hat in der pharkirchen
uff den rechten tauf ein becken gesatzt, darzu ist kommen
die gefatter mit dem kind, ist der ander prediger, Dionisius
genant, hinzu gangen, etlich wort ubber das kind gespro-
chen, mit enwenig wasser begossen in dem namen des vat-
ters, soens, helligen geists und da zum folk gesagt, das kind
sei recht getauft, soll nemants zwifeln, Jung, Chroniken,
S. 111. Vgl. Becker, Kirchenagende, S. 43-45. Johann
Melchior Krafft beschrieb das Ereignis mit weiteren
Details: In Frankfurt ist auch alsobald nach der Refor-
mation der Exorzismus daselbst begraben worden und bis-
hero geblieben. Denn nachdem 1527 der Prediger Johann
Bernhard Algesheimer sein Kind zuerst in deutscher Spra-
che auf gewöhnliche Evangelische Art, ohne päpstliche aber-
gläubische Ceremonien hatte taufen lassen, als ward, daß
alles darinn einmüthig geschehe, schriftlich eine Taufform
aufgesetzt, und dem Predigt-Amt übergeben, worinn nicht
das geringste von päpstlichen Ceremonien, geschweige
einem Exorcismo, befindlich war; sondern wann einige
kurtze, doch recht erbauliche Gebeter nebst dem Vater unser
geschehen, auch die Worte Christi, Marc. X, gelesen, die
Entsagung des Teufels, aller seiner Werke und Uppigkeit
geschehen waren; hingegen der Glaube an Gott Vatter, Sohn
und Heiligen Geist bezeuget worden, als ward das Kind mit
seinem Nahmen nach Christi klaren Worten getauft,
Johann Melchior Krafft, Ausführliche Geschichte vom
Exorcismo, Hamburg 1750, S. 297, zitiert nach Dienst,
Gottesdienst, S. 115.
37 Jahns, Bund, S. 80 Anm. 9. Vgl. Dienst, Gottesdienst,
S. 117; Beumer, Königstein, S. 84.

38 Ritter, Denckmahl, S. 117. Sprachlich modernisierter
Abdruck der Forderungen bei Beck, Rat und Kirche,
S. 510.
39 Dienst, Einführung, S. 49.
40 Ritter, Denckmahl, S. 118f.; Jahns, Bund, S. 80, 117;
Telschow, Alte Frankfurter Kirche, S. 8. Am 10.
Januar 1530 erklärte sich Peter Pfeiffer bereit, für järlich
40 Gulden in der Barfüßerkirche das Evangelium zu pre-
digen, IfSG Frankfurt, Barfüßerkloster Nr. 132 (1525-
1555), darin Nr. 22. Pfeiffer amtierte dort bis 1531. In
diesem Jahr kam er als Prediger an die Dreikönigskirche
nach Sachsenhausen, Jung, Säkularisation, S. 108.
41 IfSG Frankfurt, Barfüßerkloster Nr. 132 (1525-1555),
darin Nr. 4. Das Übergabeschreiben der Konventualen
an den Rat vom 9. Juni 1529 ist abgedruckt bei Grän,
Frankfurt, S. 153f. Vgl. Jung, Säkularisation, S. 105-
109; Beumer, Franziskaner, S. 368-372; Jahns, Bund,
S. 117; Schindling, Kirchengüter, S. 71f. Zur Aufhe-
bung des Barfüßerklosters siehe Grän, Frankfurt,
S.152-158.
42 In die Gebäude des Barfüßerklosters zog die Latein-
schule ein, sie blieb dort bis 1531, in diesem Jahr folgte
die Almosenkastenverwaltung. Nach einem größeren
Umbau zog die Schule 1542 erneut ins Barfüßerkloster,
Jung, Säkularisation, S. 111; Grän, Frankfurt, S. 164f.
43 IfSG Frankfurt, Bürgermeisterbücher 1529, fol. 117v.
44 Zum Inhalt siehe Beck, Rat und Kirche, S. 498-500;
Dienst, Gottesdienst, S. 121-123; Bauer, Bekenntnis-
stand (1922), S. 233f.; vgl. Waldenmaier, Gottes-
dienstordnungen, S. 45; Becker, Beiträge, S. 12.
45 Hierzu detailliert Dienst, Gottesdienst, S. 120-129;
vgl. Bauer, Bekenntnisstand (1922), S. 229, 232.

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