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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0509
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Einleitung

14. Liturgia sacra - Kirchenordnung der französisch-reformierten Gemeinde 1. September 1554 (Text
S. 562)
Karl V. 1543 übernahm nach seinem Sieg über Wilhelm von Kleve die Regierung in den gesamten Nieder-
landen, musste jedoch zu seinem Missfallen feststellen, dass die Reformation dort unter Calvins Einfluss
Fuß gefasst hatte. Nach der Niederlage des Schmalkaldischen Bundes 1546 verschärfte der Kaiser die
Maßnahmen gegen die Neugläubigen.156 In dieser bedrängten Situation verließen um 1550 zahlreiche Wal-
lonen ihre niederländische Heimat. Sie gingen zunächst nach Glastonbury in Südengland, wo nach der
Thronbesteigung Edwards VI. im Jahre 1549 die Reformation eingeführt worden war. Unter dem geistigen
Führer Valérand Poullain157 konstituierte sich hier eine 24 Familien umfassende Fremdengemeinde. Als
jedoch unter Mary Tudor 1553 eine strikte Rekatholisierung einsetzte, die mit der blutigen Verfolgung der
Protestanten einherging, führte Poullain die Gemeinde wieder auf den Kontinent. Hier schien die Reichs-
stadt Frankfurt, wo sich Poullain bereits 1546 aufgehalten hatte und wo er mit dem Ratsherren Nikolaus
Bromm gut bekannt war, besonders geeignet zu sein, die Fremden aufzunehmen.158
Am 15. März 1554 ersuchte Poullain den Frankfurter Rat, sich mit der Gemeinde in der Reichsstadt
niederlassen zu dürfen.159 Vor allem von wirtschaftlichen Überlegungen geleitet - dass nämlich finanzkräf-
tige Handwerker und Kaufleute unter den Glaubensflüchtlingen zu erwarten wären - stimmte der Rat
Poullains Bitte zu.160 Von der Priorin des ehemaligen Weißfrauenklosters erlangte Valérand Poullain die
Erlaubnis, die verwaiste Kirche für die Gottesdienste seiner Gemeinde zu nutzen.161
Die Fremdengemeinde wurde zwar vom Rat unterstützt, von der Frankfurter Bürgerschaft wurden die
Wallonen indes angefeindet und verdächtigt, der Täuferlehre anzuhängen. Um diesen Vorwurf aus der Welt
zu schaffen, legte Poullain die Glaubensgrundlagen seiner Gemeinde in einer umfassenden Druckschrift, der
„Liturgia sacra“ (Nr. 14), dar.162 Wie Poullain in der Vorrede schreibt, ließ er den Text vom Frankfurter
Rat autorisieren und beauftragte den ortsansässigen Drucker Peter Braubach mit dem Druck. Dieser
weigerte sich zunächst, das Werk zu publizieren. Erst auf Intervention des Frankfurter Rats fand er sich
hierzu bereit.163 Die Liturgia sacra erschien schließlich mit Datum des 1. September 1554 im Druck. Als

156 Zur politischen Situation in den Niederlanden siehe
Fühner, Religionspolitik, S. 287-348.
157 Zu Valérand Poullain siehe Bauer, Poullain; ders.,
Bekenntnisstand (1924), S. 1-21; ders., Einstellung,
S. 45-51; ders., Beziehungen Calvins, S. 12-16; Wolf,
Poullain, Sp. 1523f.; Dingel, Entstehung, S. 56-58. Zu
Poullains Beziehung zu Calvin und dessen Reaktionen
auf die Übersiedelung der Gemeinde nach Frankfurt
siehe Bauer, Beziehungen Calvins, S. 12-76.
158 Zur Geschichte der wallonischen Fremdengemeinde siehe
Meinert, Eingliederung, S. XI-XXXXIV; Dingel,
Entstehung; dies., Religionssupplikationen; Dechent,
Kirchengeschichte 1, S. 198-210; Beck, Rat und Kir-
che, S. 309-356; ders., Lutheraner, S. 58f.; Karpf,
Zuwanderung, S. 49-58; van Schelven, Vluchtelingen-
kerken, S. 212f.; Herrenbrück, Gemeinde, S. 7; Pet-
tegree, Community, S. 236; Steitz, Hartmann Beyer
(1853), S. 62-64.
159 Abdruck des Gesuchs bei Ebrard, Gemeinde, S. 156-
158, Beck, Rat und Kirche, S. 313 Anm. 24 und
Karpf, Zuwanderung, S. 52f. Vgl. Bauer, Einstellung,
S. 10f.; ders., Beziehungen, S. 15; Massinger, Emi-

grantengemeinde, S. 182; Dingel, Religionssupplika-
tionen, S. 284-286.
160 Ebrard, Gemeinde, S. 67 Anm. 3; Pettegree, Com-
munity, S. 237. Zur wirtschaftlichen Bedeutung der
Zuwanderer siehe Bothe, Beiträge, S. 78-83.
161 IfSG Frankfurt, Bürgermeisterbücher 1554, S. 242v;
Ratsprotokolle 1554, S. 55 (17. April 1554): Flemming
[=Flamen], so auß Engelland herkomen: Die Pfleger zum
Weissen Frawen zaigen an, irer seien nun biß in 40 Per-
sonen hie, und haben etliche weiber Kinder geporen, die
noch ungetaufft seien. Pitten, man wolle inen dieselb Kirch
zum Weissen Frawen inngeben, damit sy die geprauchen
mogen, und hat die Muter zum Weissen Frawen solchs
bewilligt, zitiert nach Meinert, Eingliederung, S. 4.
Vgl. Massinger, Emigrantengemeinde, S. 182; Bothe,
Geschichte, S. 24.
162 Bauer, Bekenntnisstand (1924), S. 28-36; ders., Poul-
lain, S. 197; Besser, Flüchtlings-Gemeinden, S. 18f.
163 Peter Braubach schrieb am 19. Juli 1555 dem Hambur-
ger Superintendenten Joachim Westphal, er habe den
Druck ungern und nur auf ausdrücklichen Befehl des
Rats ausgeführt, Ebrard, Gemeinde, S. 63 Anm. 3; vgl.
Bauer, Poullain, S. 198.

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