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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0640
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Reichsburg und Reichsstadt Friedberg

gleichnamigen Vorstadt und die St. Leonhardskapelle11 in der Mainzertorvorstand. Die Reichsstadt Fried-
berg beherbergte mit dem Barfüßer- und Augustinerkloster zwei Ordensniederlassungen.
Burg und Stadt Friedberg behielten ihre separaten Verfassungen bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts bei.
1802 kam die Reichsstadt und 1806 die Burg - beide immer noch institutionell getrennt - an das Großher-
zogtum Hessen. Erst 1834 wurde die Burg der Stadt Friedberg organisatorisch eingegliedert.

2. Die reformatorische Bewegung vor dem Interim

Die Anfänge der reformatorischen Bewegung in der Reichsstadt lassen sich Ende der 1520er Jahre fas-
sen:12 Nachdem der altgläubige Stadtpfarrer Konrad Fabri 1529 gestorben war, kam im folgenden Jahr
Wolfgang Haber,13 der zuvor Burgpfarrer gewesen war, auf die städtische Pfarrstelle. Als er jedoch evan-
gelisch predigte und die altgläubigen Zeremonien vernachlässigte, geriet er mit dem Rat in Konflikt14 und
verließ die Reichsstadt schließlich Ende 1533. Haber ging ins benachbarte Oberrosbach, wohin ihm die
evangelischen Friedberger trotz Ratsverbot zu seinen Predigtgottesdiensten nachreisten.15 Der Friedberger
Magistrat, der hinsichtlich der Reformationseinführung zurückhaltend blieb, da der Kaiser und der Main-
zer Erzbischof Druck auf die reichsstädtische Religionspolitik ausübten,16 ließ erst 1541 eine vorsichtige
Öffnung gegenüber der neuen Lehre erkennen: Den Forderungen der wachsenden evangelischen Gemeinde
nachgebend, berief er in diesem Jahr den neugläubigen Prediger Wilhelm Wipperfürt,17 der seit 1537 an der
Burgpfarrei amtierte. Im selben Jahr schuf der Rat außerdem eine Kaplanei an der Liebfrauenkirche und
besetzte diese - ebenso wie die Pfarrpfründe - eigenmächtig, ohne Mitwirkung des Klosters Rupertsberg, -
mit evangelischen Geistlichen.18 Auf den kirchlichen Schlüsselpositionen in Friedberg saßen somit seit den
1540er Jahren Anhänger der neuen Lehre.19
Die reformatorische Bewegung erfasste auch die beiden Klöster der Stadt. Im Augustinerkloster lassen
sich bereits um 1530 reformatorische Veränderungen erkennen: Viele Mönche traten aus, bis 1547 nur noch
ein Bewohner übrig war. Am 24. Januar 1548 übergab der Prior die Klostergebäude an Stadt und Burg. Im
selben Jahr wurde das erst kurz zuvor unabhängig von der Lateinschule gegründete Pädagogium in das
aufgelassene Kloster verlegt. Vor dem Hintergrund des Augsburger Interims erzwang der Augustinerorden
jedoch noch im gleichen Jahr die Rückgabe der Konventsgebäude.20 Im Barfüßerkloster verlief die Ent-

11 Stobbe, Geschichte, S. 169f.; Roth, Leonhardskapelle,
S. 40-70.
12 Zu den Anfängen der Reformation siehe Küther,
Anfänge, S. 204-211.
13 Zu Wolfgang Haber siehe Diehl, Neue Funde, S. 156-
158; Windhaus, Kirche und Schule, S. 316-320.
14 StadtA Friedberg, Ratsprotokolle 1530-1538, p. 156,
Freitag nach Corporis Christi [=31. Mai] 1532: Es solle
von rats wegenn mit hern Wolfen, dem pfarher, geredt wer-
den, das er die zwo cantande messen uf sambstag unnd
dornstag [gestrichen: sontag] bestelt. Ebd., p. 164, Don-
nerstag, 1. August 1532: Es sol dem pfarher mit ernst
gesagt werden, das er die furhabende procession unnd wal-
fart eigner person, so lieb als ime der burggrave sey, mitgee,
helff volnpringen.
15 Der Rat verbot 1535 den Besuch der Messen: Den Zunf-
ten und gemeiner Burgerschaften, auch iren Weibern,
Döchtern, Sönen und Dienstvolck, sall das Außlaufen gein
Ruspach und Johansbergk uff die heilgen- und Sontag bei
Straf zehen Gulden verpotten werden, und welcher solche

Straf ane Geld nit vermag, der sall an seim Leib gestrofft
werden, zitiert nach Diehl, Reformationsbuch, S. 252.
Vgl. Steitz, Geschichte, S. 19; Diehl, Evangelische
Bewegung, S. 45f. Die evangelischen Friedberger bega-
ben sich auch nach St. Johannsberg bei Nauheim, wo
seit 1534 Wilhelm Wipperfürt evangelische Predigten
hielt. Vom „Johannisberg“ sind heute lediglich einige
Ruinen erhalten (freundlicher Hinweis von Carl Ehrig-
Eggert, Mainz).
16 Press, Friedberg, S. 14.
17 Zu Wilhelm Wipperfürt siehe Diehl, Reformations-
buch, S. 253; ders., Neue Funde, S. 154f.; Windhaus,
Kirche und Schule, S. 324.
18 Diehl, Reformationsbuch, S. 253.
19 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 53.
20 Erst 1581 erhielt die Stadt die Konventsgebäude zurück,
Diehl, Reformationsbuch, S. 257f.; Stobbe, Geschich-
te, S. 181-183; Windhaus, Kirche und Schule, S. 309-
316.

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