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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0642
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Reichsburg und Reichsstadt Friedberg

August Schatzmann erwähnt das Ereignis in seiner um 1785 verfassten Chronik: Anno 1569, den 8ten
September, ist mit vorwißen der regiments-burgmannen und rathspersonen eine durchgehends gleichlautende
kirchenordnung in der burg und stadt Friedberg ... publiciret worden. Insondernheit bestimmet selbige, wie und
welche Fest- und Feyertäge dahier vor die Zukunft sollen gefeyert werden.29
Friedrich Grein erwähnte 1890 in seiner Kirchengeschichte ein Werk mit dem Titel „Ordnung und
Verzeichniss, wie es miht dem Kirchenpredigen und feyern uff den heiligen Sonntagen, christlichen Festen
unnd feyertagen, auch verhandtreichung des heiligen Sacraments leibes und bluts unseres Herrn Jesu Chri-
sti ynn der Burg und Stadt Friedberg soll gehalten werden, uffgericht mit furwiessen derselben Regiments-
und Ratspersonen 8. Tag Sept. ym yar 1569“. Hiernach scheint die 1569 erstellte Ordnung nicht nur die
Fest- und Feiertage festgelegt, sondern auch die Abendmahlspraxis fixiert zu haben. Eine solche Ordnung
ist jedoch nicht mehr erhalten. Allerdings lag sie Friedrich Grein 1890 noch vor,30 da er ihren Inhalt
ausführlich beschrieb:31
„Bei dieser Ordnung sind deutlich 3 Arten von Feiertagen unterschieden: einmal diejenigen, welche
ganz, und zwar mit zwei Predigten, zum anderen die, so ganz, jedoch nur mit einer Predigt, und zum dritten
endlich diejenigen, welche nur halb und mit einer Predigt gehalten werden sollen. In die erste Kategorie
fallen sämtliche Sonntage, ferner der Neujahrstag, hl. 3 Königstag, St. Matthiastag, Ostersonntag, Oster-
montag, St. Marcus, Philippus und Jakobus, Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Peter- und
Paulstag, St. Jacob, Bartholomaeus, Mattheus, Lucas, Simon und Juda, Allerheiligen, Andreas, Thomas,
Stephanus und Johannes der Evangelist.
Zu den Tagen, welche vollgiltig als Feiertage zählen, an denen aber nur eine Predigt gehalten wird,
gehören: Pauli Bekehrungstag, Reinigung Mariae, Verkündigung Mariae, Osterdienstag, Pfingstdienstag,
Johannes der Täufer, St. Michaels- und St. Martinstag.
Als halbe Feiertage endlich galten: Gründonnerstag, Charfreitag, St. Georgstag, Fronleichnam, Visitatio
Mariae, Maria Magdalena, Mariae Himmelfahrt, Johannis des Täufers Enthauptung, Nativitas Mariae,
und „Unschuldigen Kindleinstag“. Im ganzen beinahe 90 Sonn- und Feiertage, von denen ungefähr 80
vollgiltig gehalten wurden [...].
Die neue Ordnung vom Jahre 1569 fügt zum Schluss eine Weisung an die Geistlichen bei, welche
angiebt, wie sie sich bei der Abendmahlsfeier zu verhalten hätten: Während der Verkündigung der Einset-
zungsworte des Herrn sollten sie sich zunächst mit dem Hostienteller und alsdann mit dem Kelch gegen den
Altar hin wenden. Dieser Ritus wird anempfohlen, um keinen Anstoss und kein Aergernis in der Gemeinde
aufkommen zu lassen“.
Auch Philipp Dieffenbach, der den Inhalt der Ordnung 1857 ebenfalls ausführlich dargelegt hatte,
erwähnte, dass er den Text dem Werk von Schatzmann „nach auth. Copie“ entnommen habe.32 Demnach
war die Ordnung also ursprünglich innerhalb Schatzmanns Chronik überliefert, wo sie heute nicht mehr zu
finden ist. Dessen Hinweis auf eine kirchenordnung in der burg und stadt Friedberg hat in der wissenschaft-
lichen Literatur immer wieder die Annahme genährt, es sei 1569 in Friedberg ein umfassendes Regelwerk
erlassen worden.33 Volker Press zieht sogar eine Entwicklungslinie bis hin zu den Friedberger Kirchenord-
nungen des 17. Jahrhunderts: „Erneut war es bezeichnend, daß man sich für das reichsrechtlich zugelassene

nachgesetzt werden. Doch wo uff ettlichen feyertagen etc.
nottwendig arbeitt zuthun, so das mitt erlaubnis des hern
burgg[rafen] und burgermeister beschicht, sols nach gelegen-
heit gestatt werden.
29 StaatsA Darmstadt C 1 C Nr. 74, fol. 313v.
30 Grein gibt an: „Original in den Akten, die Burg Fried-
berg betr. (Fasc. I: Pfarrbestellung in der Stadt), St. A.
Darmstadt“. In den Dokumenten des Friedberger Bur-

grats, die im StaatsA Darmstadt aufbewahrt werden,
findet sich heute jedoch keine Ordnung mit diesem Titel.
31 Grein, Entwicklung, S. 77-79.
32 Dieffenbach, Geschichte, S. 199 Anm. *.
33 Stobbe, Geschichte, S. 222: „erließen Burg und Stadt
im Jahr 1569 die erste Kirchenordnung“; Schindling/
Schmidt, Frankfurt, S. 53: „der Rat ... führte 1569
gemeinsam mit der Burg eine evangelische Kirchenord-
nung ein“.

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