Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0644
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Reichsburg und Reichsstadt Friedberg

Friedberg statt. Sie wurde morgens um 9 Uhr mit einem Gottesdienst eröffnet, dem eine lateinische Anspra-
che eines der Mitglieder folgte, bevor jeder Kapitular auf seine Lehre, insbesondere sein Bekenntnis zur
Confessio Augustana, wie auch auf seine Amts- und Lebensführung hin geprüft wurde. Auf den Kapitel-
tagen wurde ferner der bauliche Zustand von Kirchen und Pfarrhäusern verhandelt, daneben erfolgte die
Rechnungslegung über Einkünfte und Ausgaben des Kollegiums. In dieser Weise tagte das Friedberger
Kapitel bis 1588 zweimal im Jahr, in den folgenden Jahrzehnten beließ man es oft bei nur einer Sitzung
jährlich.42
Das Friedberger Ruralkapitel war dreigliedrig verfasst: aus der Mitte aller Kapitularen wurden Defi-
nitoren gewählt - im Juni 1566 zunächst neun,43 nach 1587 schließlich zwölf, - die die Versammlungen
leiteten und das Kapitelvermögen verwalteten.44 An der Spitze der Definitoren stand ein Archipresbyter;
Johannes Phildius war 1566 der erste in diesem Amt.45
Das Ruralkapitel, das 1565 als Versammlung der evangelischen Pfarrer mehrerer Territorien sowie der
Burg und Stadt Friedberg errichtet worden war und das in Friedberg sein Kapitelhaus hatte und seine
Versammlungen abhielt, war zwar keine reichsstädtische Institution, da es jedoch in der Reichsstadt Fried-
berg sein organisatorisches Zentrum hatte, wird der Restaurationsrezess in unserer Edition unter den Fried-
berger Texten abgedruckt.
2. Stadt-Friedberger Taufordnung [Februar 1619] (Text S. 631)
Eines der wenigen aus Friedberg überlieferten Regelwerke der Reformationszeit ist eine reichsstädtische
Taufordnung. Der kurze Text gibt acht knappe sozialdisziplinierende Bestimmungen für die Tauffeierlich-
keiten, mit denen die bis dahin wohl sehr ausschweifend begangenen Feierlichkeiten reglementiert werden
sollten.46

4. Die Reformation in der Burggrafschaft 1537-1618
Unter Burggraf Ludwig Löw zu Steinfurth (1526-1532) wurde die Reformation in der Burggrafschaft
Friedberg begonnen und unter Johann Brendel von Homburg (1532-1569) vollendet. Auf die Pfarrstelle der
Burgkirche gelangte 1537 Wilhelm Wipperfürt, der zuvor Prediger in St. Johannsberg bei Nauheim gewesen
war.47 1541 wurde der ehemalige Augustinermönch Johannes Siegen (1541-1554) sein Nachfolger auf der
Burgpfarrei.48 Mit Ausnahme von Ilbenstadt49 und Heldenbergen sowie den drei Klöstern in Engelthal,
Ober- und Niederilbenstadt wurden die übrigen zur Burggrafschaft gehörenden Orte evangelisch.50
Obwohl bereits seit den 1530er Jahren evangelische Prediger auf der Burg amtierten, wurden hier -
ebenso wie in der Reichsstadt - erst nach Ende des Augsburger Interims 1552 Maßnahmen zur Festigung
des entstehenden evangelischen Kirchenwesens ergriffen.51 1554 beriet der Burgrat über kirchenordnende
Regelungen: uf Mittwoch nach Bonifacium [=6. Juni] haben gemeine burgman, nachdem in der kirchen bißhero
khein ceremonien gehalten worden, fur gut angesehenn, das man forthin einen schulmeister halten solle, der dem

42 Zum Ablauf der Sitzungen siehe Diehl, Ruralkapitel,
S. 30-52; Dieffenbach, Geschichte, S. 294-298; Hey-
mann, Wiederbelebung, S. 86f.
43 Siehe die Namensliste bei Diehl, Ruralkapitel, S. 23f.
44 Diehl, Ruralkapitel, S. 20, 26; Grein, Entwicklung,
S. 31.
45 Diehl, Ruralkapitel, S. 26; Grein, Entwicklung, S. 75;
Heymann, Wiederbelebung, S. 88-90.

46 Herrmann, Taufordnung, S. 116.
47 Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch IV, S. 255.
48 Dieffenbach, Geschichte, S. 195; Grein, Entwick-
lung, S. 47; Diehl, Reformationsbuch, S. 262f.
49 Diehl, Reformationsbuch, S. 264-272.
50 Ebd., S. 272-278; ders., Evangelische Bewegung, S. 50.
51 Press, Friedberg, S. 14.

624
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften