Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0668
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Gelnhausen

Erstlich, von verbottenen graden der
blutfreundtschafft
Die erst regell:
Unnder denn bludtsfreunden oder -verwanten in
uf- oder absteigennder rechter linien, das ist hinauf-
oder herabwerts zurechnen, ist die eheliche vermi-
schung durchaus in infinitum, so weitt sich diese lini
| 187v | immer erstrecken kan oder mag, ongeachtet,
ob die personen nahe oder fern verwandt seien, unnd
wen sie auch tausent und abertausent oder mehr
glidt voneinander weren, gentzlich und one einige
dispensation oder zulaßung verpotten. Unnd solches
der ursachen wegenn, diweil solche personen in der
zall der eltern und kinder befunden werden, welche
nach gottlichen und naturlichen rechtenn nicht zu-
samen heyrathen sollen, denn solches auch der natur
abscheulich und an ime selbst ein incestus und blud-
schande ist, darob unser herr Gott unnd alle creatur
ein greuel haben, welche sunde yhe und alwegenn
von Gott dem almechtigen mit harter, schwerer
straff heimgesucht worden unnd nicht ongero-
chenn6 plieben.
Erclerung dieses regels mit erzelung der personen, so
angeregter ursachen wegen einander zur ehe nicht
haben kunden:
Krafft und vermoge dieses nechst obgemeltenn
regels, die onendliche, immerwerende prohibition
unnd verbott der hochzeitt und verehelichungenn
zwischen den bludtsfreunden in uf- und absteigen-
der linien belangendt, kan und sol ein kind nicht zur
ehe nemen (ascendendo, das ist hinauffwerts zu ze-
len) diese nachvolgende personenn, | 188r | nemlich:
Der sohn sol nicht nemen sein mutter noch sein
altmutter oder anfrawe, es seie gleich die vatterliche
oder mutterliche, auch nicht sein uranfraw, das ist
seiner anfrawen mutter, noch sein ururanfraw, das
ist seiner mutter anfrawe, unnd also fur und fur, so
weitt und vil personen man immermehr hinaufwerts
rechnen kann.

Desgleichen sol unnd kan ein dochter nicht zur
ehe nemen oder haben iren vatter, auch nicht iren
vatterlichen oder mutterlichen anhern oder altvat-
ter noch denn uhranhern oder deßelbenn vatter,
unnd also fortt hinauf zurechnen, denn solche itzt-
erzelte personen sind alle unsere liebe vätter und
muttere, mitt denen sich kein kind verehelichenn
oder dieselbige beruren solle, wie die natur alle ver-
nunftige menschenn leret, auch Gottes gebott7 unnd
weltliche satzungen ernnstliche verpietenn.
Hergegenn descendendo, das ist in der geradenn ab-
steigenden linien hinabwerts zu rechnen, sollen die
eltern sich nitt verehelichen mitt iren kindern, alß
nemlich:
Der vatter sol nicht beruren seine dochter (er
habe dieselbige gleich ehelicher oder onehelicher
weiß erzeugt), auch nicht sein dichtern8, das ist sei-
nes sohns dochter oder seiner dochter dochter, noch
sein uhrdichter oder urenckel, und also immerdar
hinab zuzelenn, sind alle verpotten, diweil solche
personen inn der zal unser lieben dochter befunden
werdenn. | 188v |
So solle auch gleichsfals die mutter nicht nemen
iren sohn, er seie in der ehe oder außerhalb des ehe-
stanndts vonn ir geborn, auch nicht ir dichter, das
ist ires sohns sohn oder irer dochter sohn, noch ir
uhrdichter, unnd also furbas herunterwerts zurech-
nen, dan itzbenante personen in der zall unser lieben
kinder, alß nemlich der sohnen, befunden, von wel-
chen man sich gentzlich enthaltenn solle.
Daher dann die rechtsgelarten schließen, das, so
unser aller erster gemeiner vatter Adam seliger uf
diesen heutigen tag nach absterben seiner geliebten
Eva, oder sie, die Eva, unser aller erste mutter, selig
nach gemeltem Adamen, irem lieben hauswirth,
noch in leben weren, sich mitt keinem menschen uf
erdenn (in ansehung, das wir alle von inen herko-
men, und ire nachgelaßene kinder, sohn und doch-
tere, und sie unnser aller altern sein) sich verheira-
then oder verehelichenn kunthenn, sondern musten
one ferner ehegemahel sein und pleiben.

6 Ungerächt. 8 Diechter, vgl. Grimm, DWb 2, Sp. 1099.
7 Lev 18,6-18.

648
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften