Metadaten

Orth, Christian; Aristophanes
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 10,3): Aristophanes, Aiolosikon - Babylonioi (fr. 1-100): Übersetzung und Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53730#0231
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Άνάγυρος

227

Anagyrasier genannt werden. Es erinnert besonders an Eur. Hipp. 1094-7,
wo sich der aus dem Herrschaftbereich des Theseus verbannte Hippolytos zu-
gleich von Athen und der Ebene von Troizen (dem Schauplatz des Stücks) ver-
abschiedet. Die Erwähnung des phthiotischen Alos könnte aber zugleich eine
Verbindung mit Euripides’ Phoinix,30 einer weiteren Tragödie, deren Handlung
größere Ähnlichkeit mit der Anagyroslegende hat und mit dieser schon von
Hieronymos von Rhodos (vgl. oben S. 222) in Verbindung gebracht wurde,31
herstellen (Phoinix kam als Verbannter nach Phthia zu Peleus; zu der Frage
nach seiner Heimatstadt vgl. unten zu fr. 54,1 Άλον τον Φθιώτην).32 In diesem
Stück ging es um einen Konflikt zwischen Vater und Sohn um die Konkubine
des Vaters: Nach der wahrscheinlichen (von Hom. II. 9,447-84 abweichenden)
Version des Euripides wird Phoinix von der Konkubine seines Vaters Amyntor
fälschlich der Vergewaltigung beschuldigt und daraufhin von seinem Vater
geblendet (vgl. zu den Einzelheiten Kannicht 2004, 845-8, Collard/Cropp
2008b, 405-7; auf Euripides könnte der Phoinix des Eubulos Bezug nehmen,
vgl. Kassel/Austin, PCG V 194). Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass auch aus Euripides’ Phoinix ein ähnlicher Abschiedsgruß überliefert ist
(fr. 817; vgl. unten zu fr. 54,1). Das Fragment könnte somit aus einer weiteren
paratragischen Szene in anapästischen Dimetern stammen (vielleicht, wenn
die Handlungsstruktur insgesamt Ähnlichkeit mit der des Hippolytos hatte, ge-
gen Ende des Stücks; vgl. die Klage des Hippolytos in anapästischen Dimetern
bei Eur. Hipp. 1347-62).33

30 Zu der Datierung von Euripides’ Phoinix ist nur bekannt, dass das Stück vor
425 v. Chr. aufgeführt wurde (Ar. Ach. 421-2; Kannicht 2004, 847). Dazu passt
die Häufigkeit der Auflösungen in den Fragmenten, die für eine Zuweisung zum
„Severe style“ spricht (Cropp/Fick 1985, 88; vgl. ebd. 70, wo das Stück auf 455-426
v. Chr. datiert wird). Vgl. auch Croiset 1910, 219-20, der aufgrund der ähnlichen
Thematik für den Phoinix eine Entstehung in zeitlicher Nähe der Stheneboia und
des ersten Hippolytos vermutet und alle drei Stücke auf etwa 440-432 v. Chr. datiert.
31 Das Motiv der Verleumdung durch die Stiefmutter als Reaktion auf unerwiderte
Liebe (Potiphar-Motiv, vgl. 1. Mose 39) ist auch sonst weiter verbreitet; vgl. bei
Euripides noch die Stheneboia (fr. 661-71 Kn.), und mit weiteren Belegen und
Literatur Stoevesandt 2008, 65 ad Hom. II. 6,160-166.
32 Vgl. Wilamowitz-Moellendorff 1907, 11. Einen Bezug des Anagyros auf Euripides’
Phoinix vermuten schon Bothe 1844b, 20 (der von einer Parodie des Hippolytos und
des Phoinix ausgeht) und Kock I (1880) 402 (der allein den Phoinix nennt); vgl. auch
Rau 1967, 209.
33 Ein weiteres, ohne Titel überliefertes, Fragment im selben Metrum würde inhaltlich
(vgl. oben S. 218-20 zur Anagyroslegende) ebenfalls gut in den Anagyros passen,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften