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Bagordo, Andreas
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 1,1): Alkimenes - Kantharos: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verl. Antike, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.47735#0115
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Ion von Chios
Einleitung
Ion von Chios (PAA 543185; ca. 480-21 v. Chr.) hat sich in so vielen literari-
schen Gattungen versucht wie kein anderer Dichter der voralexandrinischen
Zeit (alle Fragmente in Leurini 1992; die verschiedenen Aspekte seiner po-
lyeideia sind in Jennings-Katsaros 2007 untersucht): außer Meliker (PMG
742-746), Elegiker (IEGII 77), Dithyrambiker (PMG 740-741), Tragiker (TrGF
19) und Prosa-Schriftsteller in der Philosophie (VS 36) bzw. Historiographie
(FGrHist 392) soll er auch Komödiendichter gewesen sein (PCG V 608; vgl.
Zimmermann 1992, 135 A. 13).
Die Notiz über seine komische Produktion geriet jedoch unter Verdacht:
es wurde vermutet, sie beziehe sich auf die Satyrspiele, die Ion als Tragiker
ebenfalls geschrieben haben muß (Diels-Kranz zu VS I6 378,5; Snell-Kannicht
zu TrGF 19 T 1,3-4: „nescio an satyri a nonnullis inter comoedias numerati
sint“; zuletzt Zimmermann 2011, 607). Das gravierendste Argument gegen
eine Doppeltätigkeit als Tragödien- und Komödiendichter zugleich ist die
eindeutige Dokumentation über eine rigorose Trennung zwischen beiden
Bühnengattungen im 5. Jh. v. Chr. - diese Spezialisierung galt auch für die
Schauspieler (der locus classicus hierfür ist Plat. Rep. 394e 8-395a 10; vgl.
Seidensticker 1982,14-5 mit A. 6; Storey II 317 verweist auf Plat. Symp. 223c-
d, wo Sokrates behauptet, ,es sei Sache eines und desselben, im Komödien- und
Tragödienschreiben bewandert zu sein, und der kunstfertige Tragödiendichter
müsse zugleich auch Komödiendichter sein“: eine Aussage, die das Gegenteil
als Regel impliziert).
Der Fall eines Ion als Komödiendichter ist einzigartig, wenn nicht proble-
matisch, und läßt sich nicht unbedingt durch einen Vergleich mit Hermippos
erledigen, der zugleich Komödien und lamben verfaßt haben soll (zu Timokles,
dem Komödiendichter aus dem 4. Jh. v. Chr., dem auch die Tragiker-Karriere
eines Gleichnamigen - TrGF 86 - zugeschrieben wurde, vgl. Kassel-Austin
zu Timocl. test. 2). Gewiß sucht Ions Versatilität als Autor der Dichtung (in
nahezu allen Genres) und der Prosa ebenfalls seinesgleichen; ob dies jedoch
ein Argument dafür ist, daß er auch die Gattung Komödie nicht außer Acht
gelassen hat, bleibe dahingestellt (vgl. Leurini 1992, 186: „lonem librorum
generum differentium scriptorem etiam comoedias confecisse veri simile est“).
Die beiden Bezeugungen test. 1 und 2 hängen miteinander zusammen;
hingegen ist jegliche Zugehörigkeit von test. {3} zu einer Komödienproduktion
Ions zurückzuweisen: hier setzt die aristophanische Parodie eine dithyrambi-
sche Folie voraus. Mit Vorsicht wurde die Vermutung geäußert, daß das durch
 
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