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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Rüchardt, Christoph: Alfred Rieche (28.4.1902 - 6.11.2001)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0166
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Alfred Rieche

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1951 an der Universität Halle und ab 1952 als ordentlicher Professor für Technische
Chemie an der Universität Jena. 1955 übernahm er zusätzlich einen Lehrauftrag für
Technische Chemie an der Humboldt-Universität in Berlin, die ihn 1960 auf einen
Lehrstuhl berief.
Die entscheidende Wende in Rieches Forscherleben war 1954 die Ernennung zum
Direktor des neu gegründeten Instituts für Organische Chemie der Deutschen Aka-
demie der Wissenschaften in Berlin-Adlershof, das er zu einer international renom-
mierten Forschungsstätte aufbaute. Aus diesem Institut gingen eine Reihe erstklassi-
ger jüngerer Wissenschaftler hervor. Alfred Rieche hatte die besondere Begabung,
Menschen zu führen, sie für die Lösung von Problemen zu begeistern, Leistung zu
fordern, ohne jedoch zu bevormunden.
Von Rieches Forschungsarbeiten haben die über Organische Peroxide und Autoxi-
dation am meisten Beachtung gefunden. Es wurden zahlreiche niedrige Peroxide mit
neuartigen Strukturen erstmals synthetisiert und trotz ihrer meist explosiven Eigen-
schaften isoliert und charakterisiert. Rieche erkannte, dass Hydroperoxide und andere
Peroxide Zwischenprodukte der wichtigen Autoxidationsreaktion, z. B. von Ethern,
sind, und formulierte schon 1927-1932 einen Mechanismus der Autoxidation, der dem
gerecht wird, wenn auch heute wesentlich verfeinerte Vorstellungen bestehen. Ein
vielbeachteter Erfolg war auch die unabhängige Synthese eines Ozonids, des Produk-
tes der Addition von Ozon an Alkene, dessen Struktur damit geklärt war.
In Wolfen arbeitete Rieche über die Synthese von Zwischenprodukten für die Phar-
ma- und Farbstoffsynthese und für andere Bereiche sowie über Lignin. Von grossem
ökonomischem und ökologischem Wert waren seine Arbeiten über die Aufarbeitung
der Ablaugen der Zellstoffproduktion nach dem Sulfitverfahren aus Buchenholz mit
enzymatischen Methoden. Dabei gelang es ihm durch Verhefung der Pentosen, Futter-
hefe zu gewinnen. Analog gewann er nach dem 2. Weltkrieg aus Melasse Nährhefe, die
längere Zeit als Brotaufstrich Verwendung fand. Dies waren Pionierarbeiten auf dem
heute so aktuellen Gebiet der Biotechnologie! Es würde zu weit führen, hier weitere
Details der in Rieches Laboratorien erzielten Ergebnisse zu berichten. Rieche ist Ver-
fasser mehrerer Monographien sowie des klassischen Lehrbuchs „Grundriss der tech-
nischen Organischen Chemie“ und er war zeitweise Mitherausgeber der Chemischen
Berichte.
Es konnte nicht ausbleiben, dass Rieche für sein Lebenswerk vielfach geehrt wurde.
Die Chemische Gesellschaft der DDR verlieh ihm 1962 die August-Kekule-Medallie.
Als einziger Chemiker der DDR erhielt er die Adolf-von-Bayer-Gedenkmünze der
Gesellschaft Deutscher Chemiker der Bundesrepublik Deutschland (1957). 1959 wurde
Rieche zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher „Leopoldina“
gewählt. Er war Ehrendoktor der Universitäten Hannover (1961) und Erlangen-
Nürnberg (1966) sowie der TH-Leuna-Merseburg (1991). Die Polnische Chemische
Gesellschaft hat ihn zum Ehrenmitglied gewählt.
Alfred Rieche war ein aufrechter Charakter, untadelig und zu keinen Kompromis-
sen bereit. Er hinterließ in seinen Schülern, die ihn als große Persönlichkeit dankbar
verehren, eine anerkannte Schule der Organischen Chemie. Auch die Akademie wird
ihrem korrespondierenden Mitglied ein ehrendes Gedächtnis bewahren.
 
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