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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2002 — 2003

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I. Das Geschäftsjahr 2002
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Antrittsreden
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Pritschow, Günter: Antrittsrede vom 14. Dezemberg 2002
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https://doi.org/10.11588/diglit.66351#0118
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Günter Pritschow

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„Beamter auf Lebenszeit“ in der Tasche noch einmal zur Industrie zurück, diesmal
als Leiter des Bereiches Zentrale Technik und Produktionssicherung für die Indus-
triebetriebe eines großen Medienkonzerns. Ich dachte damals, das sei wohl nun der
letzte Wechsel, doch das Schicksal wollte es, dass der Mitberichter meiner Disserta-
tion, Prof. Stute, vorzeitig aus dem Leben scheiden musste und ich den Ruf auf
seinen Lehrstuhl nach Stuttgart für das Fachgebiet Steuerungstechnik der Werk-
zeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen erhielt, ein Fachgebiet, das mich nun-
mehr seit 1984 in Stuttgart festhält und für mich auch die Erfüllung meiner beruf-
lichen Träume bedeutet.
Fortschritte auf dem Gebiet Steuerungstechnik von Maschinen lassen sich nur
durch Zusammenführung vieler wissenschaftlicher Disziplinen wie Messen, Steuern,
Regeln, Antriebstechnik, Elektronik, Informatik, Mechanik und Fertigungstechnik
gewinnen. In den achtziger Jahren deutete es sich bereits an, dass sich Software im
Maschinenbau und in der Fertigungstechnik zu einem neuen „Maschinenelement“
von größter Bedeutung entwickeln würde und dass das Konstruieren mit diesem
neuen Maschinenelement zur Überlebensfrage für den Maschinenbau werden wird.
Noch bewegte sich der Stand der Software im Bereich Steuerungstechnik in den
80er Jahren auf dem Niveau von maschinennahen Sprachen, die nicht geeignet
waren, komplexe Systeme zu beherrschen. Die deutsche Industrie war auf dem
Gebiet NC-Technik zersplittert in eine Vielzahl von Kleinanbietern und auch der
Stärkste war in der Gefahr, durch japanischen Wettbewerb vom Markt verdrängt zu
werden. Industrie und Hochschule unter maßgeblicher Mitwirkung unseres Institu-
tes haben es aber geschafft, über em gemeinsam geführtes Diskussionsforum eine
strukturierte Softwareplattform für Steuerungen zu entwickeln, die über ein euro-
päisches Forschungsprojekt die wichtigsten Hersteller von NC-Steuerungen an
einem Tisch vereinte und ich glaube, dass die vielen Impulse, die von diesen Ent-
wicklungsdiskussionen ausgingen, u. a. mithalfen, die Übernahme der NC-Tech-
nologie durch Japan, die ja vielen Beispielen hätte folgen können, abzuwenden.
Durch die enorme Steigerung der Rechenleistung von Mikroprozessoren
ergaben sich auch revolutionäre neue Ansätze in der Antriebstechnik für Werkzeug-
maschinen. Seit Mitte der 80er Jahre engagiert sich beispielsweise unser Institut für
Steuerungstechnik als Schrittmacher in der Entwicklung hochdynamischer Linear-
direktantriebe, wobei hier die Wandlung der rotatorischen Bewegung zur translato-
rischen über eine mechanische Übersetzung entfällt, da der Antrieb nach dem Prin-
zip der Magnetschwebebahntechnik seine Linearbewegung direkt aus dem Magnetfeld
im Luftspalt des Motors erzeugt.
Anders als bei der Bahn muss ein Antrieb in Werkzeugmaschinen allerdings
extrem schnell auf Störgrößen des Prozesses reagieren können. Dieses Problem praxis-
gerecht zu lösen, bot sich technisch erstmalig an durch das Marktangebot schneller
Signalprozessoren aus der Kommunikationstechnik, die auf niedrigem Kostenniveau
Rechenleistungen von einigen Zehnmilhonen Rechenoperationen pro Sekunde
bieten. Hiermit konnte man digitale Regler realisieren, mit denen sich die Dynamik
von direktangetriebenen Vorschubantrieben gegenüber konventionellen Spindel-
Mutter-Systemen um den Faktor zehn steigern ließ. Der zu entrichtende Preis für
 
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