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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Antrittsreden
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Eigenberger, Gerhart: Antrittsrede vom 8. Februar 2003
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0106
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118 | ANTRITTSREDEN

senschaftlichen Konzepte hinter den Produktionsprozessen der Großchemie ver-
mittelt und uns mit der Vision ihrer detaillierten Analyse und Weiterentwicklung
geimpft.
DerVierte im Bunde war nur fünf Jahre älter als ich, Oppelt-Schüler und frisch
gebackener Privatdozent und Assistent bei Schönemann, Ernst-Dieter Gilles, ordent-
liches Mitglied unserer Akademie. Er hat mich damals in seine junge Arbeitsgruppe
aufgenommen. Bei ihm lernte ich die weiterführenden Konzepte der Regelungs-
technik und die Systemtheorie nichtlinearer Prozesse kennen und auf chemisch-ver-
fahrens-techmsche Systeme anwenden.
Nach der Entscheidung für ein Ingenieurstudium war die Aufnahme in die
Arbeitsgruppe von Herrn Gilles der zweite wesentliche Bifurkationspunkt meiner
beruflichen Entwicklung. Ich folgte Herrn Gilles, als er den Ruf erhielt, nach Stutt-
gart, wo er sein Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik aufbaute. Die
mathematische Modellierung und die Analyse der Dynamik chemischer Reaktions-
prozesse war mein Promotionsthema. Und dieses Thema hat mich über die Habili-
tation und meine Industrietätigkeit bis heute verfolgt.
Mitte der sechziger Jahre war die Zeit, als sich die Rechnersimulation zu
einem zentralen Instrument in den Ingenieur- und Naturwissenschaften zu ent-
wickeln begann. Zunächst war es der Analogrechner, auf dem wir unsere Modelle —
im wahrsten Sinne des Wortes — zusammenstöpselten. Bald darauf waren wir voll-
ständig auf den Digitalrechner umgestiegen und Lochkarten und Lochstreifen sta-
pelten sich auf Regalen und Schreibtischen. Ich erinnere mich an manche lange
Nacht in den Fluren des Rechenzentrums in Erwartung neuer Ergebnisse aus dem
Schlund der Großrechner.
Das Thema, das mich in meiner Habilitation beschäftigte, war das Phänomen
der sogenannten kinetischen Instabilitäten bei chemischen Reaktionen. Dynamische
Instabilitäten, Zünd-/Löschverhalten und autonome Schwingungen waren damals
ein „heißes“ Thema. Ewald Wicke in Münster hatte eine Reihe von experimentel-
len Ergebnissen zur katalytischen Oxidation von CO und von einfachen Kohlen-
wasserstoffen durchgeführt, die ein solches Verhalten zeigten, aber mit den bisheri-
gen Vorstellungen nicht interpretierbar waren. Gleichzeitig befand sich zu dieser Zeit
die Stabilitätstheorie nichtlinearer Systeme in einer Umbruchsphase, die u.a. in der
Theorie des deterministischen Chaos ihren Niederschlag fand. Es war daher eine
spannende Aufgabe, einfache, physikalisch begründete Reaktionsmechanismen zu
entwickeln, die ein solches Verhalten abbilden konnten. Dafür notwendige Kennt-
nisse in heterogener Katalyse hatte ich während eines einjährigen Aufenthalts am
Chemical Engineering Department der Northwestern University in Evanston bei
Chicago erworben und im Kontakt mit der Arbeitsgruppe von Wicke vertieft.
Mit Gerhard Ertl, der etwa zur gleichen Zeit diese Fragen mit ganz neuen
Methoden der detaillierten Oberflächenanalyse von Katalysatoren anging, kam ich
erst in meiner BASF-Zeit in Kontakt. Da hatte ich mich bereits ganz der Anwen-
dung der Methoden der mathematischen Modellierung und der Rechnersimulation
für Auslegung und Betrieb chemische Produktionsprozesse zugewandt. Diese
Anwendungen trieben wir in der Abteilung „Technischen Informatik“ der BASF
 
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