264 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
cis Cheneval, Zürich, Prof. Dr. Peter Krüger, Marburg und Prof. Dr. Dietrich Murswiek,
Freiburg.
Auf diesen beiden Grundlagen wurde dann die Frage nach der Organisation
der Gesetzgebung in der EU erörtert. Ausgangspunkt war dabei die Erkenntnis, dass
die Legitimation der EU als solcher und der EU-Institutionen zu unterscheiden
sind. Nach der herkömmlichen, auch dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Legi-
timationsvorstellung bedeutet Demokratie, dass sich alle Staatsgewalt auf eine Ent-
scheidung des Volkes in Wahlen oder Abstimmungen zurückfuhren lässt. Im klassi-
schen völkerrechtlichen Modell, welches ursprünglich den Institutionen der
Gemeinschaft zu Grunde lag, waren die im Rat versammelten Regierungen der
Mitgliedstaaten gleichzeitig Gesetzgeber der Gemeinschaft. Solange für die Ent-
scheidungen des Rates Einstimmigkeit vorgesehen ist, ist diese Machtverteilung
demokratisch legitim. Denn die Regierung kann ihre Entscheidungen, auch die, die
unmittelbar die Bürger betreffen, diesen gegenüber in einem demokratischen Pro-
zess rechtfertigen. Problematisch sind allerdings die in der Europäischen Union vor-
gesehenen Mehrheitsentscheidungen. Ein Vertreter im Rat, der mit seiner Position in
der Minderheit ist, kann für die Mehrheitsentscheidung, die nicht seine Entschei-
dung ist, nicht ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden. Für diese Entscheidung
lehnt er eine Verantwortung ab. Diejenigen, die diese Entscheidung allerdings mit-
getragen haben, können von dem jeweiligen Staatsvolk nicht zur Verantwortung
gezogen werden, weil diese Vertreter in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht zur Wahl
stehen. Es entsteht ein Verantwortungsdefizit.
Dieses Verantwortungs- oder Demokratiedefizit versuchte man im Laufe der
Entwicklung durch eine verstärkte Beteiligung des Parlamentes an der Rechtsetzung
und die Aufwertung des Parlamentes durch unmittelbare Wahlen zu beseitigen. Aller-
dings ist dieses Verantwortungsdefizit dadurch nicht beseitigt worden. Gründe hier-
für sind zum einen die mangelnde Öffentlichkeit insbesondere der Sitzungen des
Rates als auch das fehlende Initiativrecht für das Parlament oder den Rat.
Unsere Ergebnisse für eine legitime Ordnung der europäischen Institutionen
gehen davon aus, dass der Bezugspunkt der demokratischen Legitimation allein die
die Mitgliedstaaten tragenden Staatsvölker sind. Demokratie in der EU kann also
nicht als Organisationsform der Volkssouveränität, sondern nur der Völ-
kersouveränität verstanden werden. Der europäische Demos ist somit nicht als
Einheit zu sehen, sondern hat ein Surrogat in Form der Staatsvölker der Mitglied-
staaten. Demokratie setzt dabei voraus, dass die Staatsvölker auf europäischer Ebene
als Träger der Legitimation hinreichend repräsentiert sind. Diese Repräsentation der
Staatsvölker auf europäischer Ebene besitzt zwei Komponenten. Zum einen setzen
sich die Staatsvölker aus den einzelnen Individuen zusammen, die einen Anspruch
auf Gleichheit gegenüber allen anderen Individuen in dem jeweiligen Staatsvolk
haben. Dies erfordert eine Repräsentanz des Einzelnen nach den Prinzipien der
Gleichheit. Andererseits haben sich die Bürger Europas nicht als europäisches Volk
oder als politische Nation konstituiert, sondern in Nationalstaaten. Dies bedingt
einen weiteren Gleichheitsanspruch, nämlich die prinzipielle Gleichheit der in den
einzelnen Staaten organisierten Staatsvölker unabhängig von ihrer zahlenmäßigen
cis Cheneval, Zürich, Prof. Dr. Peter Krüger, Marburg und Prof. Dr. Dietrich Murswiek,
Freiburg.
Auf diesen beiden Grundlagen wurde dann die Frage nach der Organisation
der Gesetzgebung in der EU erörtert. Ausgangspunkt war dabei die Erkenntnis, dass
die Legitimation der EU als solcher und der EU-Institutionen zu unterscheiden
sind. Nach der herkömmlichen, auch dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Legi-
timationsvorstellung bedeutet Demokratie, dass sich alle Staatsgewalt auf eine Ent-
scheidung des Volkes in Wahlen oder Abstimmungen zurückfuhren lässt. Im klassi-
schen völkerrechtlichen Modell, welches ursprünglich den Institutionen der
Gemeinschaft zu Grunde lag, waren die im Rat versammelten Regierungen der
Mitgliedstaaten gleichzeitig Gesetzgeber der Gemeinschaft. Solange für die Ent-
scheidungen des Rates Einstimmigkeit vorgesehen ist, ist diese Machtverteilung
demokratisch legitim. Denn die Regierung kann ihre Entscheidungen, auch die, die
unmittelbar die Bürger betreffen, diesen gegenüber in einem demokratischen Pro-
zess rechtfertigen. Problematisch sind allerdings die in der Europäischen Union vor-
gesehenen Mehrheitsentscheidungen. Ein Vertreter im Rat, der mit seiner Position in
der Minderheit ist, kann für die Mehrheitsentscheidung, die nicht seine Entschei-
dung ist, nicht ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden. Für diese Entscheidung
lehnt er eine Verantwortung ab. Diejenigen, die diese Entscheidung allerdings mit-
getragen haben, können von dem jeweiligen Staatsvolk nicht zur Verantwortung
gezogen werden, weil diese Vertreter in dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht zur Wahl
stehen. Es entsteht ein Verantwortungsdefizit.
Dieses Verantwortungs- oder Demokratiedefizit versuchte man im Laufe der
Entwicklung durch eine verstärkte Beteiligung des Parlamentes an der Rechtsetzung
und die Aufwertung des Parlamentes durch unmittelbare Wahlen zu beseitigen. Aller-
dings ist dieses Verantwortungsdefizit dadurch nicht beseitigt worden. Gründe hier-
für sind zum einen die mangelnde Öffentlichkeit insbesondere der Sitzungen des
Rates als auch das fehlende Initiativrecht für das Parlament oder den Rat.
Unsere Ergebnisse für eine legitime Ordnung der europäischen Institutionen
gehen davon aus, dass der Bezugspunkt der demokratischen Legitimation allein die
die Mitgliedstaaten tragenden Staatsvölker sind. Demokratie in der EU kann also
nicht als Organisationsform der Volkssouveränität, sondern nur der Völ-
kersouveränität verstanden werden. Der europäische Demos ist somit nicht als
Einheit zu sehen, sondern hat ein Surrogat in Form der Staatsvölker der Mitglied-
staaten. Demokratie setzt dabei voraus, dass die Staatsvölker auf europäischer Ebene
als Träger der Legitimation hinreichend repräsentiert sind. Diese Repräsentation der
Staatsvölker auf europäischer Ebene besitzt zwei Komponenten. Zum einen setzen
sich die Staatsvölker aus den einzelnen Individuen zusammen, die einen Anspruch
auf Gleichheit gegenüber allen anderen Individuen in dem jeweiligen Staatsvolk
haben. Dies erfordert eine Repräsentanz des Einzelnen nach den Prinzipien der
Gleichheit. Andererseits haben sich die Bürger Europas nicht als europäisches Volk
oder als politische Nation konstituiert, sondern in Nationalstaaten. Dies bedingt
einen weiteren Gleichheitsanspruch, nämlich die prinzipielle Gleichheit der in den
einzelnen Staaten organisierten Staatsvölker unabhängig von ihrer zahlenmäßigen