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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

DOI Kapitel:
III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
DOI Kapitel:
2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0252
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Das WIN-Kolleg | 265

Größe. Da sich beide repräsentativen Gleichheitsansprüche widersprechen, können
sie nicht in ein und demselben Organ verwirklicht werden, sondern in verschiede-
nen gleichberechtigt am Gesetzgebungsprozess der Gemeinschaft zu beteiligenden
Organen.
Das europäische Parlament wäre als Repräsentanz der Einzelnen zu wählen. Da
sich die Einzelnen nach wie vor in Staatsvölkern organisieren, bedeutet dies, dass
jedes Staatsvolk mindestens einen Abgeordneten stellen muss. Darüber hinaus ist aber
das Parlament entsprechend proportional zusammenzusetzen, das heißt die Mit-
gliedstaaten entsenden entsprechend ihrer Bevölkerungszahl die Abgeordneten.
Der der bisherigen überproportionalen Repräsentanz kleiner Mitgliedstaaten
im Europäischen Parlament zu Grunde hegende Gedanke der Gleichheit aller Mit-
gliedstaaten ist im Ministerrat zu verwirklichen. Die Regierungen sind Repräsen-
tanten der Staaten, die ihrerseits einen Gleichheitsanspruch besitzen. Die Staatsvöl-
ker legitimieren ihre Regierung jede für sich in gleicherweise. Eine Stimmenge-
wichtung im Ministerrat darf daher nicht stattfinden, denn im Ministerrat werden
die einzelnen Staatsbürger nicht unmittelbar vertreten. Vielmehr repräsentieren die
Regierungen die sie tragenden Staatsvölker, die ihrerseits als gleichwertig anzusehen
sind. Die Repräsentanten haben daher grundsätzlich eine gleiche Stimme.
Beiden Institutionen ist em Initiativrecht zuzugestehen. Auf diese Art und
Weise können die durch die Staatsbürger direkt oder mittelbar legitimierten Vertre-
ter auf europäischer Ebene den nationalen demokratischen Diskurs formulierten
Ideen in den gemeinsamen Prozess auf europäischer Ebene einbringen. Für diese
Vorstellungen, ihr Scheitern oder ihr Gelingen kann dann em demokratischer Ver-
antwortungszusammenhang hergestellt werden, der bei dem bisherigen Initiativmo-
nopol der Kommission allenfalls verdeckt besteht. Denn es ist em Unterschied, ob
die Kommission informell über die mitgliedstaatlichen Regierungen Ideen auf-
nimmt oder ob diese in einem offenen Prozess mit klar benannten Verantwortlichen
diskutiert werden können. Diskutanten dieser Thesen waren Prof. Dr. Wolfgang Rein-
hard, Freiburg; Prof. Dr. Thomas Apolte, Münster; Prof. Dr. Uwe Kischel, Greifswald.
Die Gestaltung unterscheidet sich äußerlich kaum von der Struktur eines Bun-
desstaates. Der entscheidende Unterschied zwischen Bundesstaat und der Europäi-
schen Union besteht aber dann, dass die Mitgliedstaaten nach wie vor die Kompe-
tenz-Kompetenz besitzen. Welche Institutionen auf europäischer Ebene tätig werden
und wie sie zusammengesetzt sind, ist für diese Frage zunächst sekundär, solange die
Mitgliedstaaten tatsächlich Herren der Kompetenzordnung bleiben. Das bisherige,
auch im Rahmen des Verfassungsvertrages aufrechterhaltene Prinzip von gewichte-
ten Stimmen sowohl im Parlament als auch im Rat sichert die Kompetenz-Kompe-
tenz aber genauso wenig ab wie das proportional zusammengesetzte Parlament auf
der einen und der nach dem Prinzip „eine Stimme — ein Staat“ zusammengesetzte
Ministerrat auf der anderen Seite. Entscheidend für die Kompetenz-Kompetenz ist
vielmehr, wer letzten Endes entscheidet, welche Ebene welche Aufgaben besitzt.
Der Europäische Gerichtshof als Organ der Europäischen Union ist nicht
geeignet, diesbezügliche Streitfälle zu entscheiden. Da die Mitgliedstaaten die Kom-
petenz-Kompetenz besitzen, muss auch auf ihrer Ebene im Einzelfall entschieden
 
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