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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
werden, welche Aufgaben der Gemeinschaft zustehen oder nicht. Die derzeit gel-
tende Gemeinschaftsordnung lässt de facto ein Gemeinschaftsorgan darüber ent-
scheiden, welche Aufgaben die Gemeinschaft besitzt. Es ist aber ein typisches Zei-
chen eines Bundesstaates, dass ein bundesstaatliches Gericht über die Auslegung der
Bundesverfassung und damit auch über die Kompetenzen der einzelnen Ebenen
entscheidet. Vor diesem Hintergrund ist das entscheidende Defizit im Hinblick auf
die Völkersouveränität in der Europäischen Gemeinschaft das Fehlen einer Absiche-
rung der mitgliedstaatlichen Kompetenz-Kompetenz. Es bedarf also eines Gerichtes,
welches von mitgliedstaatlichen Vertretern besetzt wird und das von den Mitglied-
staaten angerufen werden kann. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang ein aus je
einem Mitglied eines obersten mitgliedstaatlichen Gerichtes oder mitgliedstaatlichen
Verfassungsgerichtes zusammengesetztes Gericht, welches von einem Mitgliedstaat
bzw. mitgliedstaatlichen Organ angerufen werden kann, wenn eine Überschreitung
von Kompetenzen seitens der Europäischen Union befürchtet wird. Auf diese Art
und Weise würden die obersten Gerichte der Mitgliedstaaten zu den gemeinsamen
Interpreten der von den Mitgliedstaaten geschaffenen Verträge.
Als letztes Thema wurde der Frage von Institutionen ohne demokratische
Legitimation am Beispiel der europäischen Zentralbank nachgegangen.
Unser Vorschlag hierzu lautet, das „Hüten der Währung“ als eine Aufgabe zu verste-
hen, die von demokratisch legitimierten Institutionen einer unabhängigen Zentral-
bankinstitution übertragen worden ist, da sie als ihrem Wesen nach demokratischer
Gestaltung unzugänglich eingeschätzt wird. Die Zentralbank stellt Geld für die
gesamte Gesellschaft bereit, welches seine Funktionen als Zahlungsmittel, Wertmaß-
stab und Wertaufbewahrungsmittel erfüllen soll. Mit ihrer Geldpolitik nimmt sie Ein-
fluss auf die Stabilität des Geldwerts, also auf eine wesentliche Grundlage für das
wirtschaftliche Handeln und die Lebensplanung der Einzelnen. Inflation, d.h. der
Anstieg des allgemeinen Preisniveaus bzw. der Rückgang des Geldwertes, entfaltet
Verteilungswirkungen. Sie betreffen nicht nur das Verhältnis der Staatsbürger als
Gläubiger und Schuldner untereinander, sondern auch das Verhältnis des Staates als
Schuldner zu den Staatsbürgern als Gläubigern. Schon das Bundesbankgesetz wurde
damit begründet, dass die Kontrolle über die Geldpolitik für jede Regierung eine
starke Versuchung bedeutet, diese Geldpolitik an ihren eigenen Macht- und Finanz-
bedürfnissen auszurichten, um dadurch die Last der Verschuldung und die Notwen-
digkeit, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Ressourcen aus der Bevölkerung zu mobilisie-
ren, zu mindern. Gerade die in die Hand der demokratisch gewählten Regierung
gelegte Geldpolitik verschafft dieser Regierung mithin ein Mittel, die Tragweite und
Auswirkungen ihrer politischen Entscheidungen zu verschleiern, d.h. der demokra-
tischen Überprüfung zu entziehen. Diese Thesen wurden auf der Tagung von Prof.
Dr. Carsten Hefeker, Siegen, Prof. Dr. Reiner Schmidt, Augsburg, und Priv. Doz. Dr. Guido
Thiemeyer, Kassel, diskutiert.
Die zentrale These und der zentrale Ertrag unserer bisherigen Arbeit ist, dass
die optimal legitimierbare Gestalt des EU-Systems als subsidiärer Staaten- und Bürger-
verbund im Dienst von “Völkersouveränität” beschrieben werden kann. Letzterer Begriff
wird hier neu in den Theoriediskurs eingeführt.
FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
werden, welche Aufgaben der Gemeinschaft zustehen oder nicht. Die derzeit gel-
tende Gemeinschaftsordnung lässt de facto ein Gemeinschaftsorgan darüber ent-
scheiden, welche Aufgaben die Gemeinschaft besitzt. Es ist aber ein typisches Zei-
chen eines Bundesstaates, dass ein bundesstaatliches Gericht über die Auslegung der
Bundesverfassung und damit auch über die Kompetenzen der einzelnen Ebenen
entscheidet. Vor diesem Hintergrund ist das entscheidende Defizit im Hinblick auf
die Völkersouveränität in der Europäischen Gemeinschaft das Fehlen einer Absiche-
rung der mitgliedstaatlichen Kompetenz-Kompetenz. Es bedarf also eines Gerichtes,
welches von mitgliedstaatlichen Vertretern besetzt wird und das von den Mitglied-
staaten angerufen werden kann. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang ein aus je
einem Mitglied eines obersten mitgliedstaatlichen Gerichtes oder mitgliedstaatlichen
Verfassungsgerichtes zusammengesetztes Gericht, welches von einem Mitgliedstaat
bzw. mitgliedstaatlichen Organ angerufen werden kann, wenn eine Überschreitung
von Kompetenzen seitens der Europäischen Union befürchtet wird. Auf diese Art
und Weise würden die obersten Gerichte der Mitgliedstaaten zu den gemeinsamen
Interpreten der von den Mitgliedstaaten geschaffenen Verträge.
Als letztes Thema wurde der Frage von Institutionen ohne demokratische
Legitimation am Beispiel der europäischen Zentralbank nachgegangen.
Unser Vorschlag hierzu lautet, das „Hüten der Währung“ als eine Aufgabe zu verste-
hen, die von demokratisch legitimierten Institutionen einer unabhängigen Zentral-
bankinstitution übertragen worden ist, da sie als ihrem Wesen nach demokratischer
Gestaltung unzugänglich eingeschätzt wird. Die Zentralbank stellt Geld für die
gesamte Gesellschaft bereit, welches seine Funktionen als Zahlungsmittel, Wertmaß-
stab und Wertaufbewahrungsmittel erfüllen soll. Mit ihrer Geldpolitik nimmt sie Ein-
fluss auf die Stabilität des Geldwerts, also auf eine wesentliche Grundlage für das
wirtschaftliche Handeln und die Lebensplanung der Einzelnen. Inflation, d.h. der
Anstieg des allgemeinen Preisniveaus bzw. der Rückgang des Geldwertes, entfaltet
Verteilungswirkungen. Sie betreffen nicht nur das Verhältnis der Staatsbürger als
Gläubiger und Schuldner untereinander, sondern auch das Verhältnis des Staates als
Schuldner zu den Staatsbürgern als Gläubigern. Schon das Bundesbankgesetz wurde
damit begründet, dass die Kontrolle über die Geldpolitik für jede Regierung eine
starke Versuchung bedeutet, diese Geldpolitik an ihren eigenen Macht- und Finanz-
bedürfnissen auszurichten, um dadurch die Last der Verschuldung und die Notwen-
digkeit, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Ressourcen aus der Bevölkerung zu mobilisie-
ren, zu mindern. Gerade die in die Hand der demokratisch gewählten Regierung
gelegte Geldpolitik verschafft dieser Regierung mithin ein Mittel, die Tragweite und
Auswirkungen ihrer politischen Entscheidungen zu verschleiern, d.h. der demokra-
tischen Überprüfung zu entziehen. Diese Thesen wurden auf der Tagung von Prof.
Dr. Carsten Hefeker, Siegen, Prof. Dr. Reiner Schmidt, Augsburg, und Priv. Doz. Dr. Guido
Thiemeyer, Kassel, diskutiert.
Die zentrale These und der zentrale Ertrag unserer bisherigen Arbeit ist, dass
die optimal legitimierbare Gestalt des EU-Systems als subsidiärer Staaten- und Bürger-
verbund im Dienst von “Völkersouveränität” beschrieben werden kann. Letzterer Begriff
wird hier neu in den Theoriediskurs eingeführt.