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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Antrittsreden
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Frick, Werner: Antrittsrede vom 15. Juli 2006
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0121
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Werner Frick

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Der Rat war ja nicht so verkehrt, ich habe ihn im übrigen auch beherzigt, aber es ist
doch besser, daß das Fach Komparatistik und die interdisziplinäre Perspektive in den
philologischen Fächern inzwischen fest etabliert sind.
Mein weiterer Weg führte über ein wunderbar inspirierendes Auslandsjahr in
Paris (an Sorbonne und Ecole pratique des Hautes Etudes) zur Promotion bei Klaus-
Detlef Müller in Kiel — mit einer Doktorarbeit über das Spannungsverhältnis von
Providenz- und Kontingenz-Konzepten im europäischen Erzählen des 17. und 18.
Jahrhunderts —, dann auf Assistentenstellen zunächst in Regensburg, später in Augs-
burg, neuen, gut ausgestatteten Universitäten in schönen alten Städten, keine
schlechten Plätze, um sich auszuprobieren. In Augsburg wurde mir das Glück zuteil,
am Lehrstuhl von Hans Vilmar Geppert endlich eine im philologischen Fächerver-
bund operierende Komparatistik mit aufbauen zu dürfen: die Venia für „Neuere
deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft“, die ich in Augsburg erwerben
konnte — mit einer Studie über Transformationen der griechischen Tragödie im
europäischen und amerikanischen Drama der klassischen Moderne —, öffnete mir
endgültig den Weg zu jener Spielart einer komparatistisch erweiterten, ästhetisch-
philosophisch fundierten und interdisziplinär geöffneten Neueren deutschen Litera-
turwissenschaft, die ich als mir selbst gemäß empfinde und die mir im weiteren Fort-
gang meiner akademischen Laufbahn, ganz gegen die skeptisch-warnenden Progno-
sen wohlmeinender Ratgeber und Lehrer, auch durchaus Glück gebracht hat. - Zu
dieser Neigung für komparatistische und interdisziplinäre Fragestellungen trugen
zwei amerikanische Jahre, vorwiegend an der Stanford University, wesentlich bei. Nie
habe ich in offeneren und anregenderen Konstellationen arbeiten und forschen kön-
nen als im luxuriös begünstigten Rahmen des Comparative Literature Departments
von Stanford, wo ich mit dem — leider früh verstorbenen — klassischen Philologen
Charles Segal aus Harvard überdies einem der ganz großen persönlichen Anreger
begegnete, von denen ich in meinem wissenschaftlichen Leben lernen durfte.
Ähnlich folgenreiche Blicköffnungen und interkulturelle Horizonterweiterungen
verdanke ich meiner indischen Frau, Gita Dharampal, die mir die Kultur und die gei-
stigen Welten Asiens näher gebracht hat und mich übrigens besonders intensiv mit
Heidelberg verbindet, wo sie heute am Südasien-Institut den Lehrstuhl für moder-
ne Geschichte Südasiens innehat; unsere beiden — unversehens erwachsenen — Kin-
der studieren inzwischen in Oxford und Paris.
Die weiteren Stationen meiner akademischen Laufbahn waren dann ein kur-
zes Gastspiel auf einer Professur in Mainz, seit 1999 der Traditionslehrstuhl von
Wolfgang Kayser und Walther Killy in Göttingen, wo ich das Privileg hatte, das Fach
Vergleichende Literaturwissenschaft einzuführen und ein florierendes Zentrum für
komparatistische Studien aufzubauen. Ich hänge nach wie vor sehr an Göttingen,
einer unserer besonders traditionsreichen und in der Tat ehrwürdigen Universitäten,
und nicht minder an der Göttinger Akademie, und der Abschied von dort fiel mir
schwer. Aber die sehr unpflegliche und unberatene niedersächsische Hochschulpoli-
tik, die unter zynisch-euphemistischen Etiketten wie dem eines „Hochschulopti-
mierungskonzepts“ einen gerade auch im Bereich der Geisteswissenschaften kata-
strophalen Stellenabbau mit dem Wegfall ganzer mir wichtiger Disziplinen wie etwa
 
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