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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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B. Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0290
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Das WIN-Kolleg

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menschlichen Einzelwesen gemäß ihrer jeweiligen intellektuellen Vermögen
und der diesen korrespondierenden Formen des Wissens. Deren Stufenfolge
wiederum wird abgebildet auf die gesellschaftliche Ordnung, innerhalb derer
dann den Trägern der höheren Stufe des Wissens zugestanden werden kann,
Inhalte frei zu behandeln, die aus pragmatischen Gründen den niederen Stufen
des Wissens und der Intellektualität gegenüber einfachhm als wahr behauptet
werden (müssen).
Die Darstellung dieser Zusammenhänge zwischen Intellekttheorie, Wissen-
schaftslehre sowie wissenssoziologischen und -politischen Aspekten bildete
(und bildet weiterhin) einen systematischen Forschungsschwerpunkt, dabei
interessieren insbesondere, daß und wie (wissenschaftliches) Wissen von ande-
ren Kompetenz- und Diskurssphären abgegrenzt wird, der der Politik, der Reli-
gion etc., und mit ihnen interagiert; die Träger von Wissen konstituieren einen
eigenen sozialen Aktionsraum, der besonderen Gesetzen gehorcht, in dem etwa
Gegenstände diskutiert werden dürfen und sollen, deren Infragestellung außer-
halb dieses Bereiches nicht erlaubt ist. Dies hat weiterhin Auswirkungen für das
Verhältnis der wissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere der Theologie und
der Philosophie bzw. der frühneuzeithchen Naturwissenschaft, mit ihren teil-
weise konkurrierenden, teilweise parallelgeführten Ansprüchen („doppelte
Wahrheit“), für das professionelle (Selbst-)Verständnis von Wissenschaft sowie
ihre gesellschaftliche und politische Bedeutung.
(3) In unmittelbarem Zusammenhang mit der Fragestellung nach dem Charakter
professioneller Wissenschaft im europäischen Raum stehen auch die Arbeiten
von Daniel Götzen zu inhaltlichen, strukturellen und personellen Reformen an
den Artistenfakultäten des 16. Jahrhunderts. Exemplarisch wurden hierzu die
Reformen der ersten Jahrhunderthälfte an den Universitäten Köln, Erfurt,
Leipzig und Heidelberg untersucht. Ausgehend von der Fragestellung nach der
Veränderung universitärer Bildung unter den Bedingungen von Konfessionah-
sierung und Territorialisierung wurden im vergangenen Jahr insbesondere die
sich daraus ergebenden Konsequenzen für Staat und Gesellschaft in den Blick
genommen. Die Ausrichtung des Studiums auf die Bedürfnisse des Staates und
die zunehmende Aufwertung solcher Studieninhalte, die für einen Dienst bei
Hofe, beim Rate oder in der Kirche qualifizieren sollten, konnte auf Dauer
nicht ohne Rückwirkung auf die soziale Ordnung selbst bleiben. Am Beispiel
der Lateinschule von Nimwegen wurde so gezeigt, wie em Schulbauprojekt in
der Mitte des 16. Jahrhunderts unter tatkräftiger Mithilfe der jungen dort leh-
renden Universitätsabsolventen zu einer Manifestation städtischer Unabhängig-
keits- und Souveränitätsansprüche werden konnte.
Die Kehrseite von Bemühungen um die Indienstnahme von Wissenschaft für
politische Zwecke bildeten wechselnde Modelle der Finanzierung von Wissen-
schaft und einzelnen Gelehrten aus staatlichen und kirchlichen Quellen. Die
Frage nach der „Wissenschaft als Beruf1 steht damit auch für die Frühe Neu-
zeit im Raum und wurde verschiedentlich exemplarisch erörtert. Forschungs-
ergebnisse zu konkurrierenden Modellen der Besoldung von Gelehrten an den
 
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