302 | FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES
Stellung anderer Wissensbereiche niederschlagen. Zudem besteht, soweit sich
dies bereits erkennen läßt, eine enge Beziehung zwischen den Prämissen der
Verfasser bezüglich des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung in ihrem
Wissenschaftsverständnis und ihrer Auffassung über legitime und „gerechte“
Herrschaft sowie deren Ausformungen speziell mit Blick auf ihre religiöse
Dimension. Die beschriebenen Untersuchungen tragen zu einer kulturverglei-
chenden Analyse wesentlicher Aspekte des (vom westlichen Denken herkom-
menden) Begriffsdreiecks Politik - Religion - Wissenschaft bei, in dem auch
eine Reihe wesentlicher Unterschiede zwischen den beiden Kulturen und rele-
vanter Gründe für aktuelle Verständigungsschwierigkeiten angelegt sind.
(2) Für das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Europa wird das spannungs-
volle Verhältnis von Politik, Religion und Wissenschaft durch Stefan Seit derzeit
auf der Basis der Verschränkung politisch-theoretischer Überlegungen mit
einem ‘naturalisierten’ Menschenbild untersucht, wie es sich insbesondere im
Horizont einer von Aristoteles (“De anima”) her begründeten philosophischen
Psychologie findet; das integrierende Element bildet dabei die Wiederaufnah-
me und Umformung ‘organologischer’ Konzepte des Staates, die in einer frühe-
ren Phase des Projektes im Ausgang vom Werk des Johannes von Salisbury
intensiv untersucht worden sind. Im Zentrum des Interesses steht nun einerseits
Aegidius Romanus und Marsilius’ von Padua “Defensor pacis”, andererseits
Werke Girolamo Cardanos und bedeutender Vertreter des sogenannten ‘Vene-
zianischen’ bzw. ‘Paduaner Aristotelismus’ (z. B. Pietro Pomponazzi, Cesare
Cremonini).
Im 16. und bis hinein ins 17. Jahrhundert wird das Problem der richtigen
Aristoteles-Interpretation in Italien erneut zum Gegenstand engagierter Dis-
kussionen und teilweise heftiger Auseinandersetzungen. Em Zentrum dieser
wissenschaftlichen Bemühungen um die Gewinnung einer ‘neuen’, aktuellen
wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklungen etwa im Bereich der Naturwissen-
schaften Rechnung tragenden Philosophie auf Aristotelischer Grundlage ist die
Universität der Republik Venedig in Padua.
Inhaltlich geht es dabei u.a. auch um die Bestimmung der Aufgaben der Wis-
senschaft in der frühneuzeitlichen Gesellschaft sowie um die Umschreibung der
Spielräume, die der Wissenschaft und den Wissenschaftlern in diesem Kontext
zugestanden werden sollen: Dürfen Wissenschaft und Wissenschaftler beispiels-
weise die zentralen dogmatischen Inhalte der Religion kritisieren, wenn diese
zugleich aufgrund ihrer Funktion für die Stabilisierung der staatlichen und
gesellschaftlichen Ordnung bestimmt wird?
Die Vertreter des ‘Paduaner Aristotelismus’ versuchen dieses Problem durchweg
dadurch zu lösen, daß sie eine Hierarchie des Wissens entwerfen und diese - im
Rahmen ihrer Aristotelischen Voraussetzungen - intellekttheoretisch begrün-
den: Den Menschen als Gattungswesen kennzeichnet der Besitz bzw. die Teil-
habe an gegeneinander abgestuften Ausprägungen des praktischen und theore-
tischen Intellekts, zu denen allerdings nicht alle menschlichen Individuen den
gleichen Zugang haben. In der Konsequenz ergibt sich eine Hierarchie der
Stellung anderer Wissensbereiche niederschlagen. Zudem besteht, soweit sich
dies bereits erkennen läßt, eine enge Beziehung zwischen den Prämissen der
Verfasser bezüglich des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung in ihrem
Wissenschaftsverständnis und ihrer Auffassung über legitime und „gerechte“
Herrschaft sowie deren Ausformungen speziell mit Blick auf ihre religiöse
Dimension. Die beschriebenen Untersuchungen tragen zu einer kulturverglei-
chenden Analyse wesentlicher Aspekte des (vom westlichen Denken herkom-
menden) Begriffsdreiecks Politik - Religion - Wissenschaft bei, in dem auch
eine Reihe wesentlicher Unterschiede zwischen den beiden Kulturen und rele-
vanter Gründe für aktuelle Verständigungsschwierigkeiten angelegt sind.
(2) Für das spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Europa wird das spannungs-
volle Verhältnis von Politik, Religion und Wissenschaft durch Stefan Seit derzeit
auf der Basis der Verschränkung politisch-theoretischer Überlegungen mit
einem ‘naturalisierten’ Menschenbild untersucht, wie es sich insbesondere im
Horizont einer von Aristoteles (“De anima”) her begründeten philosophischen
Psychologie findet; das integrierende Element bildet dabei die Wiederaufnah-
me und Umformung ‘organologischer’ Konzepte des Staates, die in einer frühe-
ren Phase des Projektes im Ausgang vom Werk des Johannes von Salisbury
intensiv untersucht worden sind. Im Zentrum des Interesses steht nun einerseits
Aegidius Romanus und Marsilius’ von Padua “Defensor pacis”, andererseits
Werke Girolamo Cardanos und bedeutender Vertreter des sogenannten ‘Vene-
zianischen’ bzw. ‘Paduaner Aristotelismus’ (z. B. Pietro Pomponazzi, Cesare
Cremonini).
Im 16. und bis hinein ins 17. Jahrhundert wird das Problem der richtigen
Aristoteles-Interpretation in Italien erneut zum Gegenstand engagierter Dis-
kussionen und teilweise heftiger Auseinandersetzungen. Em Zentrum dieser
wissenschaftlichen Bemühungen um die Gewinnung einer ‘neuen’, aktuellen
wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklungen etwa im Bereich der Naturwissen-
schaften Rechnung tragenden Philosophie auf Aristotelischer Grundlage ist die
Universität der Republik Venedig in Padua.
Inhaltlich geht es dabei u.a. auch um die Bestimmung der Aufgaben der Wis-
senschaft in der frühneuzeitlichen Gesellschaft sowie um die Umschreibung der
Spielräume, die der Wissenschaft und den Wissenschaftlern in diesem Kontext
zugestanden werden sollen: Dürfen Wissenschaft und Wissenschaftler beispiels-
weise die zentralen dogmatischen Inhalte der Religion kritisieren, wenn diese
zugleich aufgrund ihrer Funktion für die Stabilisierung der staatlichen und
gesellschaftlichen Ordnung bestimmt wird?
Die Vertreter des ‘Paduaner Aristotelismus’ versuchen dieses Problem durchweg
dadurch zu lösen, daß sie eine Hierarchie des Wissens entwerfen und diese - im
Rahmen ihrer Aristotelischen Voraussetzungen - intellekttheoretisch begrün-
den: Den Menschen als Gattungswesen kennzeichnet der Besitz bzw. die Teil-
habe an gegeneinander abgestuften Ausprägungen des praktischen und theore-
tischen Intellekts, zu denen allerdings nicht alle menschlichen Individuen den
gleichen Zugang haben. In der Konsequenz ergibt sich eine Hierarchie der