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HANS MOHR: „WISSENSCHAFTLICHE KOMPETENZ UND
POLITISCHE VERANTWORTUNG"
Zusammenfassung
— Die Natur- und Strukturwissenschaften gelten als Quelle gesicherten, kognitiven
Wissens. H. Mohr hat sein Thema aus der Sicht eines Naturforschers behandelt.
Hinzu kamen allerdings seine Erfahrungen an der Akademie für Technikfolgenab-
schätzung, an einer Nahtstelle von Wissenschaft und Politik.
— Erfahrungsgemäß sind die meisten Menschen an Wissenschaft als einer auf
Erkenntnis gerichteten kulturellen Institution nicht ernsthaft interessiert. Der
gewitzte Politiker Peter Glotz hat das Verhältnis von Wissenschaft und Politik vor
diesem Hintergrund treffsicher beschrieben: „Der Politiker hat ein anderes Inter-
esse an Wissenschaft und Forschung als der Wissenschaftler (...). Als Politiker inter-
essiert es mich, ob wissenschaftliche Fortschritte unsere technischen und sozialen
Probleme lösen.“
In der Tat! Die öffentliche Autorität der Wissenschaft beruht (fast) ausschließlich
darauf, dass wir verlässliches Wissen hervorbringen, das sich in intellektuelle oder
praktische Problemlösung ummünzen lässt.
— Die politische Schlussfolgerung aus dem, was wissenschaftlich richtig ist, kann in
einem demokratischen Gemeinwesen aber nicht Sache der Wissenschaft sein.
Wenn aus dem kognitiven Wissen handlungsanweisende Schlussfolgerungen gezo-
gen werden, handelt es sich nicht mehr um Wissenschaft, sondern um Politik —
und damit um eine andere Dimension.
Wer politische Entscheidungen trifft, ist durch Verfassung, Recht und Gesetz gere-
gelt. Auf dieser Stufe hat in einer Demokratie der Wissenschaftler keine anderen
Rechte als jeder andere mündige Staatsbürger auch.
— Der Wissenschaftler hat aber die Pflicht, mit seiner ganzen Autorität dem kogniti-
ven Wissen in der Politik Geltung zu verschaffen. Er soll Erkenntnis, gesichertes
kognitives Wissen, nicht nur suchen, sondern sich auch jederzeit und überall dazu
bekennen. Diese Verpflichtung, die das wissenschaftliche Ethos vorschreibt, ver-
langt nicht nur von der Wissenschaft als Institution, sondern auch vom einzelnen
Wissenschaftler Mut und Kraft.
— Was wir derzeit am dringendsten bräuchten in unserem Land, sind neue Ver-
fassungsartikel, die dem Umstand gerecht werden, dass in der modernen Welt
jedwede ,gute’ Politik nur in enger Bindung an das wissenschaftlich gesicherte
Wissen möglich ist. Die Autorität eines Chief Scientific Adviser mit Kabinettsrang
sollte gewährleisten, dass Entscheidungen der Regierung (und der Legislative) den
Stand des gesicherten Wissens ungeschmälert berücksichtigen.
— Das Expertendilemma, zumindest die wissenschaftsinterne Variante, kann in einer
solchen Struktur bewältigt werden.
— An zwei Fallstudien, Klimawandel und grüne Gentechnik, wurde aufgezeigt, wie
dringend es geworden ist, dem kognitiven Wissen und der Autorität der Wissen-
schaft im politischen Geschäft mehr Geltung zu verschaffen.
HANS MOHR: „WISSENSCHAFTLICHE KOMPETENZ UND
POLITISCHE VERANTWORTUNG"
Zusammenfassung
— Die Natur- und Strukturwissenschaften gelten als Quelle gesicherten, kognitiven
Wissens. H. Mohr hat sein Thema aus der Sicht eines Naturforschers behandelt.
Hinzu kamen allerdings seine Erfahrungen an der Akademie für Technikfolgenab-
schätzung, an einer Nahtstelle von Wissenschaft und Politik.
— Erfahrungsgemäß sind die meisten Menschen an Wissenschaft als einer auf
Erkenntnis gerichteten kulturellen Institution nicht ernsthaft interessiert. Der
gewitzte Politiker Peter Glotz hat das Verhältnis von Wissenschaft und Politik vor
diesem Hintergrund treffsicher beschrieben: „Der Politiker hat ein anderes Inter-
esse an Wissenschaft und Forschung als der Wissenschaftler (...). Als Politiker inter-
essiert es mich, ob wissenschaftliche Fortschritte unsere technischen und sozialen
Probleme lösen.“
In der Tat! Die öffentliche Autorität der Wissenschaft beruht (fast) ausschließlich
darauf, dass wir verlässliches Wissen hervorbringen, das sich in intellektuelle oder
praktische Problemlösung ummünzen lässt.
— Die politische Schlussfolgerung aus dem, was wissenschaftlich richtig ist, kann in
einem demokratischen Gemeinwesen aber nicht Sache der Wissenschaft sein.
Wenn aus dem kognitiven Wissen handlungsanweisende Schlussfolgerungen gezo-
gen werden, handelt es sich nicht mehr um Wissenschaft, sondern um Politik —
und damit um eine andere Dimension.
Wer politische Entscheidungen trifft, ist durch Verfassung, Recht und Gesetz gere-
gelt. Auf dieser Stufe hat in einer Demokratie der Wissenschaftler keine anderen
Rechte als jeder andere mündige Staatsbürger auch.
— Der Wissenschaftler hat aber die Pflicht, mit seiner ganzen Autorität dem kogniti-
ven Wissen in der Politik Geltung zu verschaffen. Er soll Erkenntnis, gesichertes
kognitives Wissen, nicht nur suchen, sondern sich auch jederzeit und überall dazu
bekennen. Diese Verpflichtung, die das wissenschaftliche Ethos vorschreibt, ver-
langt nicht nur von der Wissenschaft als Institution, sondern auch vom einzelnen
Wissenschaftler Mut und Kraft.
— Was wir derzeit am dringendsten bräuchten in unserem Land, sind neue Ver-
fassungsartikel, die dem Umstand gerecht werden, dass in der modernen Welt
jedwede ,gute’ Politik nur in enger Bindung an das wissenschaftlich gesicherte
Wissen möglich ist. Die Autorität eines Chief Scientific Adviser mit Kabinettsrang
sollte gewährleisten, dass Entscheidungen der Regierung (und der Legislative) den
Stand des gesicherten Wissens ungeschmälert berücksichtigen.
— Das Expertendilemma, zumindest die wissenschaftsinterne Variante, kann in einer
solchen Struktur bewältigt werden.
— An zwei Fallstudien, Klimawandel und grüne Gentechnik, wurde aufgezeigt, wie
dringend es geworden ist, dem kognitiven Wissen und der Autorität der Wissen-
schaft im politischen Geschäft mehr Geltung zu verschaffen.