20. April 2007
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So herrschte z.B. im Mittelalter in Europa die Ansicht, dass Krankheiten durch
drei Ursachen erklärt werden: (1) Sünden der Betroffenen oder ihrer Vorfahren, (2)
Akte der Willkür Gottes und (3) Besessenheit durch Dämonen. Diese biblische Ätio-
logie bedingte zur Vorbeugung von Kranksein ein Leben ohne Sünde und als The-
rapie die Bitte um einen Gnadenerweis Gottes. Zur Zeit der Romantik herrschte die
Lehre von den vier Säften im Organismus, der Humoralpathologie und der Glaube
an den Einfluss der Gestirne.
Emen großen Sprung nach vorne haben die Europäer erst in der Mitte des 19.
Jahrhunderts geschafft. Die Voraussetzung dafür war die enorme Entwicklung der
Grundlagenwissenschaften in Physik, Chemie und Biologie. Erst die Fortschritte in
den Grundlagenwissenschaften setzten die wissenschaftliche Medizin nun auf eine
kritische, methodisch ausgeformte Empirie. Die europäische Medizin löste sich also
von naturphilosophischer, romantischer oder religiöser Weltanschauung. Aus der
Anwendung der vier Grundprinzipien der naturwissenschaftlichen Methoden war
die moderne Medizin erwachsen. Es gilt nun (1) das Prinzip der Empirie, bei der die
Beobachtung einer Hypothese, die Hypothese dem Experiment, das Experiment der
neuen Beobachtung vorangeht. (2) Das quantitative Prinzip, d. h. die Messbarkeit
und Genauigkeit der Beobachtungen, (3) das mechanische Prinzip, d. h. Suche nach
gesetzmäßigen Kausalzusammenhängen, (4) das Fortschrittsprinzip, d.h. das Wissen
um die Unvollkommenheit der jetzigen Kenntnisse, was eine ständige Bestrebung
nach Vollkommenheit stimuliert. Die Schulmedizin ist allein verantwortlich für den
weltweiten Anstieg der Lebenserwartung.
Zusammenfassend hat sich die traditionelle chinesische Medizin zwar sehr
früh entwickelt, allerdings hat sie sich nicht aus den naturphilosophischen und
romantischen Zwängen herausgelöst, und war vielmehr in ihrer Entwicklung ein-
gefroren.
An dieser Stelle möchte ich einige allgemeine Missverständnisse hinsichtlich
der Schulmedizin korrigieren. Es herrschte die Ansicht, dass die Schulmedizin
gegen die Alternativmedizin ist, und dass „Chemie“ identisch mit der Schulmedi-
zin sei und dass alternative Therapie wieTCM eine schonende, nebenwirkungsfreie
Behandlung darstellt. Nichts ist mehr entfernt von der Wahrheit als diese Behaup-
tungen. Die wissenschaftliche, evidenzbasierte Medizin ist offen. Wie Ludolf von
Krehl sagte, „wir nehmen Hilfe, woher sie auch kommen mag.“ Vorausgesetzt, dass
die Heilungsmaßnahme nachweisbar, nachvollziehbar und für Patienten vorteilhaft
ist.
Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 20. April 2007
GESCHÄFTSSITZUNG
1. Vorbesprechung der Wahl des Sekretärs: Der Sekretär schlägt die Wahl von Herrn Gerd
Theißen als Sekretär ab 1. Oktober 2007 vor.
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So herrschte z.B. im Mittelalter in Europa die Ansicht, dass Krankheiten durch
drei Ursachen erklärt werden: (1) Sünden der Betroffenen oder ihrer Vorfahren, (2)
Akte der Willkür Gottes und (3) Besessenheit durch Dämonen. Diese biblische Ätio-
logie bedingte zur Vorbeugung von Kranksein ein Leben ohne Sünde und als The-
rapie die Bitte um einen Gnadenerweis Gottes. Zur Zeit der Romantik herrschte die
Lehre von den vier Säften im Organismus, der Humoralpathologie und der Glaube
an den Einfluss der Gestirne.
Emen großen Sprung nach vorne haben die Europäer erst in der Mitte des 19.
Jahrhunderts geschafft. Die Voraussetzung dafür war die enorme Entwicklung der
Grundlagenwissenschaften in Physik, Chemie und Biologie. Erst die Fortschritte in
den Grundlagenwissenschaften setzten die wissenschaftliche Medizin nun auf eine
kritische, methodisch ausgeformte Empirie. Die europäische Medizin löste sich also
von naturphilosophischer, romantischer oder religiöser Weltanschauung. Aus der
Anwendung der vier Grundprinzipien der naturwissenschaftlichen Methoden war
die moderne Medizin erwachsen. Es gilt nun (1) das Prinzip der Empirie, bei der die
Beobachtung einer Hypothese, die Hypothese dem Experiment, das Experiment der
neuen Beobachtung vorangeht. (2) Das quantitative Prinzip, d. h. die Messbarkeit
und Genauigkeit der Beobachtungen, (3) das mechanische Prinzip, d. h. Suche nach
gesetzmäßigen Kausalzusammenhängen, (4) das Fortschrittsprinzip, d.h. das Wissen
um die Unvollkommenheit der jetzigen Kenntnisse, was eine ständige Bestrebung
nach Vollkommenheit stimuliert. Die Schulmedizin ist allein verantwortlich für den
weltweiten Anstieg der Lebenserwartung.
Zusammenfassend hat sich die traditionelle chinesische Medizin zwar sehr
früh entwickelt, allerdings hat sie sich nicht aus den naturphilosophischen und
romantischen Zwängen herausgelöst, und war vielmehr in ihrer Entwicklung ein-
gefroren.
An dieser Stelle möchte ich einige allgemeine Missverständnisse hinsichtlich
der Schulmedizin korrigieren. Es herrschte die Ansicht, dass die Schulmedizin
gegen die Alternativmedizin ist, und dass „Chemie“ identisch mit der Schulmedi-
zin sei und dass alternative Therapie wieTCM eine schonende, nebenwirkungsfreie
Behandlung darstellt. Nichts ist mehr entfernt von der Wahrheit als diese Behaup-
tungen. Die wissenschaftliche, evidenzbasierte Medizin ist offen. Wie Ludolf von
Krehl sagte, „wir nehmen Hilfe, woher sie auch kommen mag.“ Vorausgesetzt, dass
die Heilungsmaßnahme nachweisbar, nachvollziehbar und für Patienten vorteilhaft
ist.
Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 20. April 2007
GESCHÄFTSSITZUNG
1. Vorbesprechung der Wahl des Sekretärs: Der Sekretär schlägt die Wahl von Herrn Gerd
Theißen als Sekretär ab 1. Oktober 2007 vor.