Die Preisträger
279
AKADEMIEPREIS
GUNNAR HINDRICHS:
„Das Absolute und das Subjekt. Untersuchungen zum Verhältnis von Metaphysik
und Nachmetaphysik“
Das Ziel meiner Arbeit ist es, den Begriff des Absoluten zu rekonstruieren, um ihn
in einer Theorie der Subjektivität fruchtbar werden zu lassen. Damit positioniere ich
mich auf dreifache Weise innerhalb des philosophischen Denkens. Zum ersten bezie-
he ich zwei Begriffe - das Absolute und das Subjekt - aufeinander, die oftmals in
einen Gegensatz zueinander gestellt werden. Zum zweiten vertrete ich eine These in
der Debatte um unsere Subjektivität. Und zum dritten beziehe ich Stellung in dem
Streit um die Gestalt der Philosophie.
Der Streit um die Gestalt der Philosophie, den ich meine, ist der Streit um die
Möglichkeit, Metaphysik zu betreiben. Das philosophische Unternehmen, das man
Metaphysik nennt, ist äußerst umstritten. Die einen betrachten Metaphysik als die
Krönung des philosophischen Denkens, die anderen halten sie für unsinniges Gere-
de, die dritten gedenken ihrer als einer ruhmreichen Gestalt der Vergangenheit. Ins-
besondere die verschiedenen Strömungen der Gegenwartsphilosophie, die oftmals
nicht mehr vereinigt als der Widerwille gegen Metaphysik, treten zumeist als nach-
metaphysisches Denken auf. Diese Wendung ist keineswegs neu; vom „speculativen
Charfreytag“ wußte schon Hegel zu künden. In einer solchen Situation geht indes-
sen vieles verloren von dem, was die Anstrengung des Begriffs einstmals erarbeitet
hatte. Dieser Verlust betrifft, neben anderem, den Begriff des Absoluten. Ihm entge-
genzuarbeiten ist die Absicht meiner Arbeit. Dabei ist sie sich freilich bewußt, daß
Trauer über begriffliche Einbuße kein Rechtsgrund dafür sein kann, einen ver-
drängten Begriff wieder stark zu machen. Und schon gar nicht darf eine Gering-
schätzung des gegenwärtigen Denkens — aus Unkenntnis oder aus Ressentiment —
zu einem Rückgriff auf verworfene Konzepte führen. Statt durch erzwungene Rea-
nimation kann ein Begriff, der im Zuge der Nachmetaphysik verloren ging, nur
durch eine konkrete Fragestellung sich wieder in unser Denken einschreiben. Sol-
che Fragestellungen müssen keineswegs bereits mit ihrer Formulierung schon klar
sein. Was sie in sich tragen, worauf sie hinauslaufen, welche Vertracktheiten sie berei-
ten, mag erst im Laufe des Antwortversuchs zutage treten. Aber sie müssen sich auf-
drängen und sich in ihrer Aufdringlichkeit auch aufweisen lassen, um wenigstens
vorläufig das Recht des Begriffes auf Rückkehr in unser Denken als möglich
erscheinen zu lassen.
Die Frage, die ich mir in meiner Arbeit stelle, ist die einfache Frage danach,
worin wir seien. Die Frage scheint auf den ersten Blick überflüssig. Denn ihre
Antworten liegen auf der Hand; Wir sind in der Welt, in der Gesellschaft, in der
Natur. Dem erneuten Nachdenken stellt sie sich aber doch. Denn wir sind Subjekte.
Subjekte aber — die alte Ansicht der Transzendentalphilosophie verteidige ich in mei-
ner Arbeit - Subjekte werden nicht konstituiert, Subjekte konstituieren alles andere.
Als Subjekte scheinen wir daher, dem ersten Anschein zum Trotz, in keinem ande-
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AKADEMIEPREIS
GUNNAR HINDRICHS:
„Das Absolute und das Subjekt. Untersuchungen zum Verhältnis von Metaphysik
und Nachmetaphysik“
Das Ziel meiner Arbeit ist es, den Begriff des Absoluten zu rekonstruieren, um ihn
in einer Theorie der Subjektivität fruchtbar werden zu lassen. Damit positioniere ich
mich auf dreifache Weise innerhalb des philosophischen Denkens. Zum ersten bezie-
he ich zwei Begriffe - das Absolute und das Subjekt - aufeinander, die oftmals in
einen Gegensatz zueinander gestellt werden. Zum zweiten vertrete ich eine These in
der Debatte um unsere Subjektivität. Und zum dritten beziehe ich Stellung in dem
Streit um die Gestalt der Philosophie.
Der Streit um die Gestalt der Philosophie, den ich meine, ist der Streit um die
Möglichkeit, Metaphysik zu betreiben. Das philosophische Unternehmen, das man
Metaphysik nennt, ist äußerst umstritten. Die einen betrachten Metaphysik als die
Krönung des philosophischen Denkens, die anderen halten sie für unsinniges Gere-
de, die dritten gedenken ihrer als einer ruhmreichen Gestalt der Vergangenheit. Ins-
besondere die verschiedenen Strömungen der Gegenwartsphilosophie, die oftmals
nicht mehr vereinigt als der Widerwille gegen Metaphysik, treten zumeist als nach-
metaphysisches Denken auf. Diese Wendung ist keineswegs neu; vom „speculativen
Charfreytag“ wußte schon Hegel zu künden. In einer solchen Situation geht indes-
sen vieles verloren von dem, was die Anstrengung des Begriffs einstmals erarbeitet
hatte. Dieser Verlust betrifft, neben anderem, den Begriff des Absoluten. Ihm entge-
genzuarbeiten ist die Absicht meiner Arbeit. Dabei ist sie sich freilich bewußt, daß
Trauer über begriffliche Einbuße kein Rechtsgrund dafür sein kann, einen ver-
drängten Begriff wieder stark zu machen. Und schon gar nicht darf eine Gering-
schätzung des gegenwärtigen Denkens — aus Unkenntnis oder aus Ressentiment —
zu einem Rückgriff auf verworfene Konzepte führen. Statt durch erzwungene Rea-
nimation kann ein Begriff, der im Zuge der Nachmetaphysik verloren ging, nur
durch eine konkrete Fragestellung sich wieder in unser Denken einschreiben. Sol-
che Fragestellungen müssen keineswegs bereits mit ihrer Formulierung schon klar
sein. Was sie in sich tragen, worauf sie hinauslaufen, welche Vertracktheiten sie berei-
ten, mag erst im Laufe des Antwortversuchs zutage treten. Aber sie müssen sich auf-
drängen und sich in ihrer Aufdringlichkeit auch aufweisen lassen, um wenigstens
vorläufig das Recht des Begriffes auf Rückkehr in unser Denken als möglich
erscheinen zu lassen.
Die Frage, die ich mir in meiner Arbeit stelle, ist die einfache Frage danach,
worin wir seien. Die Frage scheint auf den ersten Blick überflüssig. Denn ihre
Antworten liegen auf der Hand; Wir sind in der Welt, in der Gesellschaft, in der
Natur. Dem erneuten Nachdenken stellt sie sich aber doch. Denn wir sind Subjekte.
Subjekte aber — die alte Ansicht der Transzendentalphilosophie verteidige ich in mei-
ner Arbeit - Subjekte werden nicht konstituiert, Subjekte konstituieren alles andere.
Als Subjekte scheinen wir daher, dem ersten Anschein zum Trotz, in keinem ande-