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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Zimmermann, Hans-Joachim: Rudolf Sühnel (10.3.1907-21.1.2007)
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Rudolf Sühnel I 171


RUDOLF SÜHNEL
(10.3.1907-21.1.2007)

Mit Herrn Rudolf Sühnel ist der letzte universale Anglist dahingegangen. Sem
Leben hat das 20. Jahrhundert fast zur Gänze umspannt. Als der Erste Weltkrieg aus-
brach, war er sieben Jahre alt. Die Bombe, die ein Zeppelin über Nottingham abwarf,
wo er geboren wurde und aufwuchs, zeigte ihm unmißverständlich die Allgegen-
wärtigkeit moderner Kriege. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war er 32 Jahre alt,
zog als deutscher Soldat ins Feld und geriet in russische Gefangenschaft. Als er im
Januar 2007 verstarb, war die Welt noch immer nicht friedlicher geworden, als er sie
in seinem hundertjährigen Leben erfahren hatte. Die geschichtlichen Umbrüche,
deren Gewinner und Opfer die Menschen sind, erfassen notwendigerweise auch die
Institutionen, in denen sie ihre Wirksamkeit entfalten. Mit Blick auf unsere Univer-
sitäten ist zu sagen, daß Herr Sühnel sie, gemessen an seinen Standards und Bil-
dungsidealen, nicht wiedererkennen würde und daß er in ihnen auch nicht nach den
amtlichen Zielvorgaben funktionieren könnte.
Beim Nachdenken über sein Leben wird man jedoch nicht den Eindruck des
Disparaten oder gar Desperaten gewinnen. Im Gegenteil, um eines seiner Lieblings-
zitate zu paraphrasieren: „Oh welcher Glanz! Alles hängt sinnvoll zusammen.“ Eine
solche Sichtweise mußte erworben werden; sie brauchte unverrückbare Orientie-
rungsmarken, nach denen man navigieren konnte. Odysseus erlebt zwar viel
Schreckliches, aber er bewegt sich auch - wenngleich auf Irrwegen — durch eine
geordnete Welt, hin zu einem gnädig vorbestimmten Ruhepunkt. Ebenso hat es Herr
Sühnel erfahren. Die griechisch-lateinische Antike war ihm stets gegenwärtig. In
ihrer Kultur fand er die Wertmaßstäbe, die er sich im ständigen Umgang mit ihr

Porträtzeichnung von Caroline Pöll (1997)
 
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