148 | ANTRITTSREDEN
Antrittsrede von Herrn THOMAS MAISSEN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2007.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren Sekretäre,
meine Damen und Herren
Mein Vater, der übermorgen 75 Jahre alt geworden
wäre, hätte sich sehr gefreut über den heutigen Anlass.
Er hätte aber seinen Stolz hinter einer skeptischen
Frage verborgen: „Weshalb haben die denn ausgerech-
net Dich da hineingewählt?“ Der hier gewünschte
Blick in meinen Lebenslauf kann diese Frage nicht
beantworten. Aber er erlaubt es doch, wichtige
Momente und Personen zu benennen, die notwendige
Voraussetzungen für diese ehrenhafte Wahl schufen.
Dazu gehörte eben em Vater aus Graubünden, der das Grundvertrauen des Self-
mademan in die eigenen Kinder — meine Schwester und mich — mit skeptischen Fra-
gen zu würzen pflegte, damit diese das Leben so schwer nahmen, wie es ihm zu sein
schien. Dazu gehört ebenso eine finnische Mutter, die mit polyglotter Selbstver-
ständlichkeit den intellektuellen Charme einer Familie von Akademikern und
Künstlern einbrachte, darunter ihr Stiefvater, der seinen ersten Ehrendoktor 1936
hier in Heidelberg erhielt.
Vor diesem Hintergrund war es auch meine Mutter, die den Sohn auf das
Humanistische Gymnasium schickte, obwohl das naturwissenschaftliche deutlich
näher lag und für meinen Vater, einen Mathematiker, erste Wahl gewesen wäre. Vor
allem die Abschlussjahre am Humanistischen Gymnasium in Basel waren so berei-
chernd, dass ich stellvertretend für viele Lehrer denjenigen in Französisch und Itali-
enisch nennen will, Urs Jost, mein Freund bis heute, der pädagogischen Eros und
philologische Strenge bezaubernd verband. Dieser Unterricht eröffnete Welten,
denen dann der Student der Fächer Geschichte, Latein und Philosophie erliegen
sollte, so in einem prägenden Auslandjahr in Rom. Am Lehrstuhl für Wirtschaftsge-
schichte von Alfred Bürgin, auch er ein Freund bis heute, folgten die ersten univer-
sitären Lehrerfahrungen. Bürgins dogmengeschichtlichen Reisen von der Antike ins
Industriezeitalter verdanke ich em strukturiertes Überblickswissen, von dem ich und
damit auch meine Studierenden bis heute zehren.
Weniger Glück hatte ich bei der Betreuerin meiner Zulassungsarbeit, weil sie
diese nicht nur ablehnte, sondern mir auch riet, auf Sekundarstufe 1 umzusteigen.
Entsprechend verunsichert suchte ich mir einen neuen Betreuer und fand ihn in
Frantisek Graus, dem emigrierten tschechischen Mediävisten. Er nahm nicht nur
meine zweite Zulassungsarbeit an, über das Bild der Hussiten beim Humanisten
Enea Silvio Piccolomini, später Papst Pius II. Frantisek Graus schuf auch neues
Selbstvertrauen und lehrte mich Zentrales, durch seine Schriften auch nach seinem
viel zu frühen Ableben 1989, kurz nach meinem Examen.
Antrittsrede von Herrn THOMAS MAISSEN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2007.
Herr Präsident, sehr geehrte Herren Sekretäre,
meine Damen und Herren
Mein Vater, der übermorgen 75 Jahre alt geworden
wäre, hätte sich sehr gefreut über den heutigen Anlass.
Er hätte aber seinen Stolz hinter einer skeptischen
Frage verborgen: „Weshalb haben die denn ausgerech-
net Dich da hineingewählt?“ Der hier gewünschte
Blick in meinen Lebenslauf kann diese Frage nicht
beantworten. Aber er erlaubt es doch, wichtige
Momente und Personen zu benennen, die notwendige
Voraussetzungen für diese ehrenhafte Wahl schufen.
Dazu gehörte eben em Vater aus Graubünden, der das Grundvertrauen des Self-
mademan in die eigenen Kinder — meine Schwester und mich — mit skeptischen Fra-
gen zu würzen pflegte, damit diese das Leben so schwer nahmen, wie es ihm zu sein
schien. Dazu gehört ebenso eine finnische Mutter, die mit polyglotter Selbstver-
ständlichkeit den intellektuellen Charme einer Familie von Akademikern und
Künstlern einbrachte, darunter ihr Stiefvater, der seinen ersten Ehrendoktor 1936
hier in Heidelberg erhielt.
Vor diesem Hintergrund war es auch meine Mutter, die den Sohn auf das
Humanistische Gymnasium schickte, obwohl das naturwissenschaftliche deutlich
näher lag und für meinen Vater, einen Mathematiker, erste Wahl gewesen wäre. Vor
allem die Abschlussjahre am Humanistischen Gymnasium in Basel waren so berei-
chernd, dass ich stellvertretend für viele Lehrer denjenigen in Französisch und Itali-
enisch nennen will, Urs Jost, mein Freund bis heute, der pädagogischen Eros und
philologische Strenge bezaubernd verband. Dieser Unterricht eröffnete Welten,
denen dann der Student der Fächer Geschichte, Latein und Philosophie erliegen
sollte, so in einem prägenden Auslandjahr in Rom. Am Lehrstuhl für Wirtschaftsge-
schichte von Alfred Bürgin, auch er ein Freund bis heute, folgten die ersten univer-
sitären Lehrerfahrungen. Bürgins dogmengeschichtlichen Reisen von der Antike ins
Industriezeitalter verdanke ich em strukturiertes Überblickswissen, von dem ich und
damit auch meine Studierenden bis heute zehren.
Weniger Glück hatte ich bei der Betreuerin meiner Zulassungsarbeit, weil sie
diese nicht nur ablehnte, sondern mir auch riet, auf Sekundarstufe 1 umzusteigen.
Entsprechend verunsichert suchte ich mir einen neuen Betreuer und fand ihn in
Frantisek Graus, dem emigrierten tschechischen Mediävisten. Er nahm nicht nur
meine zweite Zulassungsarbeit an, über das Bild der Hussiten beim Humanisten
Enea Silvio Piccolomini, später Papst Pius II. Frantisek Graus schuf auch neues
Selbstvertrauen und lehrte mich Zentrales, durch seine Schriften auch nach seinem
viel zu frühen Ableben 1989, kurz nach meinem Examen.