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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2007 — 2007

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I. Das Geschäftsjahr 2007
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 26. Januar 2007
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Wölfle, Peter: Das Ganze ist mehr als seine Teile: Elektronen in Festkörpern reduzierter Dimension
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Gesamtsitzung am 27. Januar 2007
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https://doi.org/10.11588/diglit.66959#0054
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26. Januar 2007

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In den letzten Jahren stehen Systeme im Zentrum des Interesses, in denen Lan-
dau-Quasiteilchen auf Grund der starken Coulombwechselwirkung zwischen den
Elektronen nicht wohldefiniert sind. So ist z.B. die effektive Wechselwirkung zwi-
schen den Quasiteilchen „singulär“, also sozusagen unendlich stark in Metallen in
der Nähe eines Quantenphasenübergangs, d.h. eines Phasenübergangs bei Tempera-
tur Null als Funktion eines Kontrollparameters wie z.B. des Drucks. Dann existieren
Quantenfluktuationen, etwa der lokalen Magnetisierung, die stark miteinander
wechselwirken und das System in einer Art Schwebezustand zwischen den beiden
Grundzuständen halten. Die Folge sind ungewöhnliche Skalengesetze für die physi-
kalischen Eigenschaften.
Ein anderes prominentes Beispiel ist der fraktionale Quantenhalleffekt, der bei
einem zweidimensionalen Elektronengas (an der Grenzfläche zwischen zwei
Halbleitern) in einem starken senkrechten Magnetfeld auftritt. Das Energiespektrum
der Elektronen besteht dann aus Landau-Niveaus, die auf Grund der Coulomb-
wechselwirkung etwas verbreitert sind. Man beobachtet dann eine Quantisierung
der Hall-Leitfähigkeit, wenn das unterste Landau-Band mit einem rationalzahligen
Bruchteil r gefüllt ist, mit r Leitwertquanten (der ganzzahlige Quantenhalleffekt
wurde bekanntlich 1980 von K. von Klitzing entdeckt (Nobelpreis 1985)). Hier hat
Laughlin (Nobelpreis 1998) vorgeschlagen, dass die Anregungen z.B. bei r=l/3 die
Ladung q=e/3 besitzen sollten, was vor einigen Jahren experimentell bestätigt wer-
den konnte.
Das Landau-Quasiteilchen mit Ladung e verwandelt sich also in drei Laugh-
lin-Quasiteilchen mit Ladung e/3, d.h. das Elektron zerfällt sozusagen.Von besonde-
rem Interesse ist dabei der Fall r=l/2, für den keine Hallquantisierung beobachtet
wird. Das erklärt sich dadurch, dass sich hierbei neue Quasiteilchen bilden, die aus
einem Elektron mit je zwei magnetischen Flussquanten bestehen, die „composite
fermions“. Diese spüren bei genau halber Füllung kein äußeres Magnetfeld, denn der
magnetische Fluss wird in die Quasiteilchen integriert, und in der Nähe halber Fül-
lung ein entsprechend reduziertes Magnetfeld, was experimentell im Detail bestätigt
werden kann. Da in diesen Proben wegen der notwendigen Dotierung mit Elektro-
nen die ionisierten Dotierungsatome ein Unordnungspotential verursachen, kommt
es zu einer leicht inhomogenen Elektronendichte, die zu einer entsprechenden
Inhomogenität des magnetischen Flusses, also einem Zufallsmagnetfeld führt. Die
Eigenschaften der „composite fermions“ im Zufallsmagnetfeld geben zu verschiede-
nen faszinierenden Eigenschaften Anlass.
Die Suche nach neuen Formen von kondensierter Materie, in denen die Elek-
tronen gewissermaßen ihre Identität aufgeben zugunsten neuer Quasiteilchen mit
geänderten Quantenzahlen, geht weiter. Man hofft, durch diese neuartigen Materia-
lien Eigenschaften zu finden, die auch für technische Anwendungen interessant sind.
Es ist denkbar, dass die größte Entdeckung der letzten Zeit in diesem Bereich, die
der Hochtemperatursupraleiter (Bednorz und Müller 1986, Nobelpreis 1987), letz-
ten Endes durch einen derartigen neuen Zustand erklärt werden wird.
 
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