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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
DOI Kapitel:
Zentenarfeier am 3. und 4. Juli 2009
DOI Kapitel:
Festakt am 4. Juli 2009
DOI Artikel:
Markl, Hubert: Akademische Wissenschaft und wirtschaftlicher Erfolg: Forschung im Zangengriff vielfältiger Interessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0047
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FESTAKT

Genie, der eben noch die Schulbank gedrückt hat und das wirkliche Leben auch
entsprechend kennt. Aber wenn sie sich auch damit brüsten, einmal unsere Renten
und Pensionen zahlen zu müssen, ist damit noch lange nicht gesagt, daß sie dies mit
ihren Leistungen auch können werden, und nicht nur selbst am Tropf der Steuer-
zahler hängen, den sie doch mit ihren Ideen und Leistungen speisen sollten! Viel-
leicht sollte man das Wolkenschieberwort „Bildung, das zur Zeit weltweit eine so
bedeutende politische Karriere macht, bald gar nicht mehr verwenden, sondern lie-
ber von „Befähigung“ sprechen, — ob akademisch oder handwerklich — , auf die man
aber keinen Anspruch hat, für die man sich vielmehr anstrengen muß, vielleicht auch
finanziell — aber das wollen ja viele, die das Wort „Bildung“ dauernd im Munde
führen, am allerwenigsten hören. Zur Zeit rufen sogar manche Schüler und Studie-
rende zum „Bildungsstreik“ auf — als ginge es bei dem Streik um Bildung, nicht um
Macht, zumal in einem Wahljahr und wenn dabei Werbung für eine ganz bestimm-
te „Bildungspolitik“ gemacht wird. Studieren kann schon bilden und befähigen —
aber doch nicht der Verzicht darauf! Streik mag Bewußtsein schaffen, ob immer auch
noch Fähigkeiten, darf bezweifelt werden. Fast wird man dabei an den alten Sponti-
spruch erinnert: „Wissen ist Macht. Ich weiß nichts — macht nichts!“ Motto: „Ich
möchte ja so gern gebildet sein — aber tun will ich dafür nichts, und zahlen schon
gar nicht!“
Gleich an zweiter Stelle nennt Don Kennedy: „The academic duty to mentor“,
also die so ausgebildeten, graduierten Studenten dahin zu führen, daß sie selbst in
Lehre und Forschung erfolgreich werden können, oft als Doktoranden und Postdocs
in einem akademisch lebendigen Umfeld. Dies scheint einfach: Institutionen fällt
nun mal nichts ein — nur Menschen fällt etwas ein. Aber so einfach ist es eben nicht.
Den fähigen Menschen fällt eben nur in der richtigen Umgebung etwas ein und die
schaffen wieder Mitmenschen: ein Klima des Anspruchs, der Redlichkeit — nicht
etwa gleich der Exzellenz. Sie erzeugen dadurch auch keine Standardprodukte, son-
dern gebildete Menschen mit originären Ideen. Dies als eine Pflicht eines akademi-
schen Lehrers hervorzuheben, ist ganz wesentlich; insbesondere Akademikerinnen
verlieren hier, oft in der Minderzahl befindlich, leicht den Mut bei Rückschlägen;
aber Versagensängste kennt jeder, der erst die Herausforderungen der Wissenschaft
angenommen hat. Wenn ich dann heute noch vom oftmalig endgültigen Scheitern
lesen muß, dann bin ich erstens stolz, dass fast alle jungen Menschen, die ich jemals
zum Promovieren, als Postdocs oder zum Habilitieren annahm, ihre Ziele erfolgreich
schafften (sicher mehr oder weniger erfolgreich schafften!); aber zweitens ärgert es
mich, nach jahrzehntelangen Bemühungen um Graduiertenkollegs, die ich in DFG
und MPG zu begründen half, wenn es immer noch Disziplinen an deutschen Uni-
versitäten zu geben scheint, wo Professoren das „Mentoring“ so wenig ernst neh-
men, dass aus der verfehlten Graduiertenphase, die ein Höhepunkt akademischer
Lehre sein sollte, eine Art akademischer Wartesaal auf ein verfehltes Leben wird! Die
Durchhänger und Durchfaller sind hier nämlich kein Ausweis besonders hoher
Ansprüche eines Betreuers, sondern eher eines Mangels an Bemühungen um junge
Menschen, die ihr Leben noch vor sich haben — oftmals ohne die Daueranstellung
in der Wissenschaft, die ihre Betreuer so bequem gemacht hat.
 
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