4. Juli 2009
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nal über „ Wesen und Wirken der Universitäten “ (in der Originalsausgabe „ The Office and
Work of Universities “) 1858 zu sagen hatte.
Aber ich kenne kein neueres Werk, das die Aufgabe von Universitäten besser
darstellt, als jenes über „Academic Duty“, das Donald Kennedy 1997 geschrieben hat,
nachdem er das Amt des Präsidenten der Stanford University aufgegeben hatte; auch
er übrigens ein Biologe, in Harvard ausgebildet, wo mein eigener Mentor, als ich
dort sein Postdoc war, Donald R. Griffin, mir einmal sagte, es habe nie ein klügerer
Student bei ihm gearbeitet als Don Kennedy (und das will nach 3 Jahrzehnten in
Harvard etwas heißen!). Später war Kennedy Chef der Food and Dnig Agency, und
Herausgeber von Science. Wenn Sie sein Buch über die akademischen Pflichten
lesen, so finden Sie alles, was Sie über die akademische Welt benötigen (freilich aus
der Sicht von oben, von Stanford, also vom Gipfel aus betrachtet!). Don Kennedy hat
dort nach wenigen klaren Worten über die Notwendigkeit akademischer Freiheit
und der Verpflichtungen, die diese auferlegt, die Aufgaben eines Hochschullehrers in
acht Thesen zusammengefasst:
Als erste „Academic Duty“ nennt er „To Teach“, also junge Menschen, die in der
angelsächsischen Welt „in loco parentis“ durch Bildung zu lebenstüchtigen Bürgern
gemacht werden sollen, so zu unterrichten, dass sie in angemessener Zeit — und oft
auch nach Zahlung erheblicher Studiengebühren — mit einem akademischen Zerti-
fikat in die Gesellschaft entlassen werden können: durch Bildung zur Ausbildung und
nicht zur Einbildung geführt! „To Teach“, das ist mehr als Wissenspakete von einem
sprechenden Kopf, dem des Lehrers, in einen aufnehmenden Kopf, den des Schülers
zu übertragen. Das bedeutet, ihm dabei das Wissen der Welt zu eröffnen und es kri-
tisch, durch Logik und empirische Argumente geleitet, bewerten zu lehren. Dies
besagt „Forschendes Lernen“ — Kennzeichen wirklich akademischer Lehre (und mei-
ner eigenen Hochschule, der Universität Konstanz!) —: Wissen auf den Begriff zu
bringen, es von vermeintlichem Wissen zu unterscheiden, was vor allem sprachphi-
losophisch-kritisches Denken erfordert, und Behauptungen, die es ja reichlich gibt,
mit validen Argumenten daraufhin zu überprüfen, was für, was gegen sie spricht, und
von bloßem Meinen kraft Tradition, Ideologie oder einfachem Hörensagen (zu dem
ja auch das Hörensagen von Lehrern gehören kann!) zu unterscheiden. Es macht
schon einige Mühe, kluge Köpfe vom Müll des Gemutmaßten zu befreien und sie
zu lehren, welche Behauptungen nicht durch erhabene historische Bürgen, sondern
durch beobachtbare Tatsachen oder logisch zwingende Beweise jene Kraft der
Zuverlässigkeit erlangen, die wir gemeinhin als wissenschaftlich geprüfte Wahrheit
bezeichnen, (von der wir doch immer wissen, dass es nur die Wahrheit von heute
ist!). Das erfordert einige Zeit, aber 3 oder 4 Jahre müssen dafür auch genug sein,
denn erstens lernen es manche nie und zweitens gilt: ars longa, vita brevis! Der Zeit-
rahmen ist kein Argument gegen Bologna: es kommt darauf an, was man damit
macht!
Bildung ist etwas, das man aktiv selber tun muß, nicht passiv — und auch noch
widerwillig maulend — gnädigst von anderen Menschen, oder sogar von der „Gesell-
schaft“ entgegennimmt, die sie einem anscheinend allein dafür schuldet, daß man
aufrecht auf zwei Beinen stehen gelernt hat! Da gebärdet sich mancher als kritisches
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nal über „ Wesen und Wirken der Universitäten “ (in der Originalsausgabe „ The Office and
Work of Universities “) 1858 zu sagen hatte.
Aber ich kenne kein neueres Werk, das die Aufgabe von Universitäten besser
darstellt, als jenes über „Academic Duty“, das Donald Kennedy 1997 geschrieben hat,
nachdem er das Amt des Präsidenten der Stanford University aufgegeben hatte; auch
er übrigens ein Biologe, in Harvard ausgebildet, wo mein eigener Mentor, als ich
dort sein Postdoc war, Donald R. Griffin, mir einmal sagte, es habe nie ein klügerer
Student bei ihm gearbeitet als Don Kennedy (und das will nach 3 Jahrzehnten in
Harvard etwas heißen!). Später war Kennedy Chef der Food and Dnig Agency, und
Herausgeber von Science. Wenn Sie sein Buch über die akademischen Pflichten
lesen, so finden Sie alles, was Sie über die akademische Welt benötigen (freilich aus
der Sicht von oben, von Stanford, also vom Gipfel aus betrachtet!). Don Kennedy hat
dort nach wenigen klaren Worten über die Notwendigkeit akademischer Freiheit
und der Verpflichtungen, die diese auferlegt, die Aufgaben eines Hochschullehrers in
acht Thesen zusammengefasst:
Als erste „Academic Duty“ nennt er „To Teach“, also junge Menschen, die in der
angelsächsischen Welt „in loco parentis“ durch Bildung zu lebenstüchtigen Bürgern
gemacht werden sollen, so zu unterrichten, dass sie in angemessener Zeit — und oft
auch nach Zahlung erheblicher Studiengebühren — mit einem akademischen Zerti-
fikat in die Gesellschaft entlassen werden können: durch Bildung zur Ausbildung und
nicht zur Einbildung geführt! „To Teach“, das ist mehr als Wissenspakete von einem
sprechenden Kopf, dem des Lehrers, in einen aufnehmenden Kopf, den des Schülers
zu übertragen. Das bedeutet, ihm dabei das Wissen der Welt zu eröffnen und es kri-
tisch, durch Logik und empirische Argumente geleitet, bewerten zu lehren. Dies
besagt „Forschendes Lernen“ — Kennzeichen wirklich akademischer Lehre (und mei-
ner eigenen Hochschule, der Universität Konstanz!) —: Wissen auf den Begriff zu
bringen, es von vermeintlichem Wissen zu unterscheiden, was vor allem sprachphi-
losophisch-kritisches Denken erfordert, und Behauptungen, die es ja reichlich gibt,
mit validen Argumenten daraufhin zu überprüfen, was für, was gegen sie spricht, und
von bloßem Meinen kraft Tradition, Ideologie oder einfachem Hörensagen (zu dem
ja auch das Hörensagen von Lehrern gehören kann!) zu unterscheiden. Es macht
schon einige Mühe, kluge Köpfe vom Müll des Gemutmaßten zu befreien und sie
zu lehren, welche Behauptungen nicht durch erhabene historische Bürgen, sondern
durch beobachtbare Tatsachen oder logisch zwingende Beweise jene Kraft der
Zuverlässigkeit erlangen, die wir gemeinhin als wissenschaftlich geprüfte Wahrheit
bezeichnen, (von der wir doch immer wissen, dass es nur die Wahrheit von heute
ist!). Das erfordert einige Zeit, aber 3 oder 4 Jahre müssen dafür auch genug sein,
denn erstens lernen es manche nie und zweitens gilt: ars longa, vita brevis! Der Zeit-
rahmen ist kein Argument gegen Bologna: es kommt darauf an, was man damit
macht!
Bildung ist etwas, das man aktiv selber tun muß, nicht passiv — und auch noch
widerwillig maulend — gnädigst von anderen Menschen, oder sogar von der „Gesell-
schaft“ entgegennimmt, die sie einem anscheinend allein dafür schuldet, daß man
aufrecht auf zwei Beinen stehen gelernt hat! Da gebärdet sich mancher als kritisches