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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 22. Januar 2010
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Engler, Bernd: Amerikanische Identitätspolitik im 17. und 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0055
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22. Januar 20'10

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Mather reklamiert gleich zu Beginn seiner Predigt die herausragende Rolle Neu-
englands im Erlösungsgeschehen am Jüngsten Tag: „GLORIOUS Things are Spoken
of thee, O thou City of God! The STREET [of Pure Gold, described in Revelation,
21] be in Thee O NEW-ENGLAND; The Interpretation of it, be unto you, O Ameri-
can Colonies“ (1). Er wendet sich dann allerdings recht unversehens der Form einer
puritanischen Jeremiade zu, einer Predigt also, in der der Geistliche in oft drastischen
Bildern drohender Höllenstrafen von den Gemeindemitgliedern Gottgefälligkeit
und die Bekehrung von sündigem Verhalten verlangt. Nach einer solchen Jeremiade
musste der Anspruch auf die privilegierte, wenn nicht gar ausschließliche ‘Erfüllung’
des Heilsgeschehens in Amerika indes fraglich erscheinen, und so begnügt sich
Cotton Mather am Ende seiner Darlegungen denn auch damit, lediglich eine Teil-
habe Amerikas an der Wiederkehr Christi zu beanspruchen: „There are many Argu-
ments to perswade us,“ merkt er an, „That our Glonous LORD, will have an Holy
City in AMERICA; a City, the Street whereof will be Pure Gold.“ Und er greift
dann implizit das von Mede und anderen propagierte Vorurteil auf, Amerika sei
ja wohl nur em Ort finsterer Mächte, em Reich Gogs und Magogs, wenn er
erklärt, „[that w]e cannot imagine, that the brave Countries and Gardens which fill
the American Hemisphere, were made for nothing but a Placefor Dragons [...]“ (30).
Um seine Hoffnung, dass Amerika der Erlösung teilhaftig werde, zu unter-
mauern, greift Mather dann auf diverse Bibelstellen zurück, die eine solche Hoff-
nung zu rechtfertigen scheinen,2" um zu folgender Schlussfolgerung zu kommen:
Certainly, it was never intended, that the Church of our Lord, should be confined always
within the Dimensions of Strabo’s Cloak; and that, All the World, should always be no more,
than it was, when Augustus taxed it. (33) [...] O NEW-ENGLAND,There is Room to hope,
That thou also shalt belong to the CITY. [...] And certainly,Thou shalt not be cast off, when
He comes into the Actual Possession of all the rest.Thy Name shall then be,Jehovah Shammah,
THE LORD IS THERE. (35f.)* * * * 21
Spätere Propagandisten einer herausgehobenen heilsgeschichtlichen Rolle Amerikas
griffen das bei Cotton Mather und seinen Zeitgenossen zunächst in Gegenreaktion
zu exklusionistischen Modellen entwickelte Sendungsbewusstsein auf und instru-
mentalisierten es für recht unterschiedliche politische Zwecke. Sie transformierten
den Glauben an eine gottgewollte Mission des Neuen Israel in der Neuen Welt
nicht nur wie Bishop Berkeley in eine Vision von der Erfüllung der Weltgeschichte
in Amerika als krönendem Abschluss eines nach Westen fortschreitenden translatio
imperi/-Prozesses. Sie leiteten aus der vermeintlichen Sonderrolle des amerikanischen
Volkes im Heilsgeschehen vielmehr einen messianischen Anspruch ab, der nicht auf

2(1 Has [America's being the City of God] not been promised [by] our Great Saviour? Psal. 2.8.1 will
give thee the uttermost parts of the Earthfor thy Possession. And [...] Mal. 1.11. From the Rising of the
Sun even unto the going down of the same, my Name shall be great among the Gentiles. AMERICA is
Legible in these Promises [...] (31).
21 Strabon (etwa 63 v. Chr. in Amaseia in Pontos — 23. n. Chr.) war ein antiker griechischer Geo-
graph und Geschichtsschreiber; seine 17-bändige retoyQacpixd stellt die Welt in der Form eines
ausgebreiteten Mantels dar.
 
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