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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Mitarbeitervortragsreihe "Wir forschen. Für Sie"
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Thomsen-Fürst, Rüdiger: „ . . . unsere wonneduftende Flöte. . .“: Überlegungen zur Kammermusik mit Flöte am Hofe Carl Theodors in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0167
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8. Juli 2010 | 183

Kabinetmusik auch für die Komposition neuer Werke verantwortlich war und zum
Repertoire beitrug.
Die französische Salon- und Gesprächskultur des 18. Jahrhunderts hatte auch
einen erheblichen Einfluss auf die Kompositionspraxis, wie Ludwig Finscher wie-
derholt hervorgehoben hat.38 Besonders das solistische (Streich-)Quartett wurde
lange vor Goethes berühmter Äußerung als Gespräch unter vier vernünftigen Men-
schen begriffen. Aus der Konversationskultur entlehnte Begriffe („dialogues“, „con-
versation“ etc.) fanden seit der Mitte der 1760er Jahre in Paris und London verstärkt
als Titelzusätze in DruckausgabenVerwendung. Eine Sammlung von sechs Flöten-
quartetten Carl Joseph Toeschis, die 1767 beiVenier in Paris erschien, trägt etwa den
Titel II Dialogo musicale. Bei dieser Ausgabe findet sich wie bei vielen anderen von
Mannheimer Musikern herausgegebenen Werken der Hinweis auf den Dienstherren,
den Kurfürsten von der Pfalz. Zum einen war dies ein Gütesiegel, zum anderen
bedeutet die Erwähnung natürlich auch einen Prestigegewinn für den Regenten, der
solch herausragende Komponisten zu seinen Bediensteten zählte.
Dass Mannheim zu einer wichtigen Pflegestätte des Flötenquartetts wurde, ist
nahe liegend: Es war modern, auf der Höhe der Zeit und bot — im Gegensatz zum
reinen Streichquartett - dem Kurfürsten selbst eine adäquate Möglichkeit seine
musikalischen Fähigkeiten zu präsentieren.
> Ex-
earl Theodors Flötenspiel und die Bevorzugung dieses Instruments in der Kammer-
musik Mannheimer Hofmusiker lassen sich allein mit der individuellen Vorliebe des
Regenten nur vordergründig erklären. Diese Präferenzen sind auch als bewusste
Adaption der französischen Kultur der Aufklärung zu verstehen. Sie sind damit Teil
der (Selbst-) Inszenierung des Kurfürsten als aufgeklärten und fähigen (>habile<)
Herrscher, gehören also ebenso, wenn auch weniger augenfällig, zur höfischen
Repräsentation, wie die prächtigen Opernaufführungen und die musikalischen
Akademien. Dieses Herrscherbild vermitteln sowohl Ziesenis’ Gemälde von 1757
wie auch Schubarts Beschreibung aus den 1770er Jahren und letztlich auch die zahl-
reichen Notendrücke, die auf die Anstellung ihrer Urheber in der Hofkapelle Carl
Theodors hinweisen.

38 Vgl. u.a. Ludwig Finscher, Studien zur Geschichte des Streichquartetts, I: Die Entstehung des klassischen
Streichquartetts. Von den Vorformen zur Grundlegung durch Joseph Haydn (= Saarbrücker Studien zur
Musikwissenschaft 3), Kassel 1974, S. 83-84; ders., „Galanter und gelehrter Stil. Der kompositions-
geschichtliche Wandel im 18. Jahrhundert“, in: Sabine Ehrmann-Herfort, Ludwig Finscher,
Giselher Schubert (Hg.), Europäische Musikgeschichte 1, Kassel 2002, S. 587—665, hier: S. 588—596.
 
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