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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Patzold, Steffen: Antrittsrede von Herrn Steffen Patzold: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0137
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ANTRITTSREDEN

So schien mir im zweiten Semester Veränderung angezeigt. Ich fuhr nach
Lübeck und spielte an der dortigen Musikhochschule einem Professor auf meiner
Geige vor. Das ging (Gott sei Dank) kräftig in die Hose. Der Professor riet mir, erst
einmal zu üben. Ich blieb also in aller Demut in Hamburg bei Geschichte, Kunstge-
schichte und Journalistik.
Im selben Semester besuchte ich mein Proseminar zum Mittelalter. Hier lernte
ich nun Dinge, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte: Chrismon, Arenga,
Rekognitionszeichen, Beneventana, Kustoden - das roch nach Wissenschaft. Im
übrigen bekamen wir zu Beginn des Seminars einen 60seitigen Reader ausgeteilt;
die Texte waren durchweg auf Latein. Hans-Werner Goetz, der das Seminar veran-
staltete, war damals recht frisch nach Hamburg berufen und hatte noch Flausen im
Kopf; und ich bekam das Gefühl, mein Großes Latinum könnte am Ende vielleicht
doch zu etwas nützlich sein. So blieb ich also im Mittelalter hängen; und als
ich Anfang 1996 meine Scheine beisammen hatte, schrieb ich dort auch meine
Magisterarbeit. Das Thema war mir am Morgen vor der Sprechstunde bei Herrn
Goetz in den Sinn gekommen: Ich wollte erkunden, wie sich Mönche im Mittel-
alter gestritten hatten. Dass sich soeben eine eigene mediävistische Konfliktfor-
schung zu etablieren begann, war mir nicht bewusst. Erst mein Professor verwies
mich auf die neuen Arbeiten von Gerd Althoff.
Der Frühstückseinfall schwoll also zu 100 Seiten Text über Konflikte in Fulda
und St. Gallen. Ich bekam den Akademischen Grad eines „Magister Artium“ verlie-
hen — und wusste wieder einmal nicht recht, wie es weitergehen sollte. Ich bewarb
mich in aller Bescheidenheit um ein Volontariat bei der F.A.Z., fragte meinen Pro-
fessor in der Journalistik, was er von einer Dissertation über Journalismus im NS
halte (und ob er nicht vielleicht eine Stelle für mich habe), sandte Bewerbungen
nach Münster und Kassel — und wurde, nachdem ich mir allerlei Absagen eingehan-
delt hatte, glücklich Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hans-Werner Goetz. Das
Ergebnis war 1999 eine Dissertation über Konflikte in Klöstern im Reich der Otto-
nen und Salier. Ich hatte gemeint, von der Analyse dieser Streitigkeiten her etwas
beitragen zu können sowohl zur Geschichte geistlicher Gemeinschaften als auch zur
mediävistischen Konfliktforschung. In meiner jugendlich-agonalen Zurückhaltung
ging ich dabei reichlich kritisch mit den grundlegenden Arbeiten Gerd Althoffs und
der amerikanischen Konfliktforschung ins Gericht.
Frisch promoviert, sandte ich das Manuskript meiner Doktorarbeit an die
„Historischen Studien“. Einer der Reihenherausgeber war Bernd Schneidmüller. Er
befürwortete die Aufnahme in die Reihe, riet aber dazu, die harsche Kritik vielleicht
doch zumindest etwas höflicher zu formulieren. Meine Freundin fand das auch. Ich
behielt also die Argumente, strich aber alle polemischen Spitzen. Gerd Althoff
schrieb eine sehr freundliche Rezension in der F.A.Z. und lud mich zum Vortrag
nach Münster ein.
In Hamburg war eine Assistentur in der mittelalterlichen Geschichte frei, und
ich hatte das Glück, noch unter Gl-Bedingungen an einer Habilitationsschrift arbei-
ten zu dürfen. Wahrscheinlich wäre es nun klug gewesen, ein zweites Standbein im
Spätmittelalter zu haben und wegzukommen von der Kirchengeschichte. Ich ging in
 
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