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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Patzold, Steffen: Antrittsrede von Herrn Steffen Patzold: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0136
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Steffen Patzold

155

Antrittsrede von Herrn STEFFEN PATZOLD

an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2012.


Als ich am 1. September 1972 in der Medizinischen
Hochschule Hannover zur Welt kam, entsprach das
(soweit ich mich erinnern kann) nicht meiner Inten-
tion. Meine Mutter mag es gewünscht haben, meinem
Vater kam es wohl immerhin gelegen; er hatte nämlich
ohnehin Dienst und war deshalb gerade im Hause —
nicht im Kreißsaal, sondern in angemessener Distanz, in
der Neurologie. Als Kind habe ich dann dort, in der
Neurologie der MHH, oft und gern gespielt: Es gab
Spritzen und Büroklammern, Computerpapier mit
Löchern am Rand und eine ganz famose Rohrpost.

Das alles war nicht ohne Nutzen. Als ich ein paar Jahre
später in Braunschweig mein Abitur machte, wusste ich: Medizin wollte ich nicht
studieren.
Nachdem das nun einmal glücklich ausgeschlossen war, blieb allerdings doch
noch ein gewisses Restspektrum universitärer Fächer zur Auswahl. Den Frühsommer
des Jahres 1991 verbrachte ich deshalb in einiger Ungewissheit, was ich nun wohl
machen solle. Meine originelle Entscheidung lautete schließlich: Ich werde Jour-
nalist; und ich studiere zu diesem Behufe Journalistik in Hamburg. Das Fach wurde
dort seinerzeit aber leider nur als Nebenfachstudiengang angeboten. Es mussten also
weitere Fächer her. Mein Großvater war Maler gewesen, ich mochte den Expressio-
nismus; und natürlich interessierte ich mich auch, wie es sich gehört, für die NS-Zeit
und die DDR, die sich, unweit von Braunschweig gelegen, soeben aus der Ge-
schichte verabschiedet hatte. Also garnierte ich die Journalistik mit den Fächern
Kunstgeschichte und Geschichte.
Journalistik erwies sich bald als ein facettenreiches Fach. Ich durfte die Lin-
denstraße auf Fragen der gender-equality hin quantifizierend analysieren, mich mit
der europäischen Fernsehrichtlinie von 1989 beschäftigen und ein Referat über
Abtönungspartikeln halten. Hinzu kamen jede Menge Pflicht-Praktika: Ich steigerte
mich von der Pressestelle der Universität Hamburg über die Wolfenbütteier Zeitung
und die Harburger Anzeigen und Nachrichten bis hin zu den Lübecker Nachrich-
ten. Das Glanzstück meiner Karriere war ein Aufmacher des Lokalteils über den Vor-
sitzenden des Vereins der Bayern in Hamburg.
In der Kunstgeschichte gab es Exkursionen, das war gut; nur konnte ich mich
für die Analyse monochrom schwarzer Bilder nicht recht begeistern. Immerhin
lernte ich hilfreiche Vokabeln wie „Chronotopos“, „Superzeichen“ und „Rezepti-
onsästhetik“. Bei den Historikern wiederum lernte ich bald, dass sich ziemlich
viele Kommilitonen für die NS-Zeit und die DDR interessierten; Seminare mit
mehr als 60 Teilnehmern unter Sauerstoffmangel brachten mir schöne Gemein-
schaftserlebnisse.
 
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