Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2012
DOI Artikel:
Leppin, Volker: Antrittsrede von Herrn Volker Leppin: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2012
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0133
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
152

ANTRITTSREDEN

Antrittsrede von Herrn VOLKER LEPPIN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. Juli 2012.


Dem Genre der Antrittsrede eignet ja ein gewisser
Appell, an seinem eigenen Leben Besonders zu ent-
decken. Das fängt bei mir nicht besonders gut an. Denn
meine Laufbahn begann wie bei zahlreichen anderen
Theologen auch im evangelischen Pfarrhaus, dort also,
wo man mit Bach aufsteht, mit Luther zu Mittag isst
und Jochen Klepper zu Abend liest. Da hatte ich dann
keine große Wahl.
Aber immerhin, etwas war an diesem Pfarrhaus
anders als an anderen. Es gehörte zur Elisabethkirche in
Marburg und damit nicht nur zu einem der bedeu-
tendsten Bauten der Gotik, sondern auch zu einem für

Protestanten höchst eigenartigen Erinnerungsort. In Marburg war es auch für Evan-
gelische nicht unüblich, von der heiligen Elisabeth zu sprechen, und wer als Kind
lutherische Gottesdienste im Chorgestühl des Deutschen Ordens erlebt hat, kann
mit dem Gedanken, dass die Reformation alles neu gemacht habe, nicht viel anfan-
gen.
Damit bin ich dann auch schon bei meiner heutigen Existenz, die mich auch
in die Heidelberger Akademie geführt hat. Seit dem Wintersemester 2010/11
genieße ich die seltene Gelegenheit, als evangelischer Kirchenhistoriker neben der
Reformation vor allem auch für das Mittelalter zuständig zu sein. Da bin ich also
wieder bei dem evangelischen Mittelalter meiner Kindheit. Und auch sonst hat sich
ja eigentlich nicht viel verändert. Von kleinen sprachlichen Besonderheiten abgese-
hen, könnte man als Marburger in Tübingen das Gefühl bekommen, wieder daheim
zu sein.
Dabei gab es auch ein paar Stufen dazwischen. Nach dem Abitur und den
Anfangssemestern in Marburg zog es mich nach Jerusalem, an die Dormitio Abtei,
die in einer komplizierten Konstruktion die Möglichkeit bietet, dass katholische und
evangelische Theologiestudierende nicht nur, wie ich es heute in Tübingen erlebe,
im selben Haus studieren, sondern tatsächlich ein gemeinsames Studienprogramm
absolvieren. Auch das relativiert so manche scheinbar klare Grenze: die theologische
Diskussion, in der man sich auf einmal auf der Seite des liberalen Katholiken wie-
derfindet und mit ihm gemeinsam gegen Traditionalisten beider Konfessionen strei-
tet, lässt die Frage nach Nähe und Ferne ganz neu aufbrechen. Was ich aus dieser
Lebensphase mitgenommen habe, ist das ungebrochene Vertrauen, dass ökumeni-
sches Bemühen zu den Hauptaufgaben der Theologie auch in unserer Zeit gehört,
die es solchen Anstrengungen nicht gerade einfach macht. So bin ich heute in meh-
reren ökumenischen Gremien tätig — unter anderem in einer Kommission, die sich
bemüht, im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 Luthers Thesen gegen den
Ablass interkonfessionell zu kommentieren.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften