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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2012 — 2013

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I. Das Geschäftsjahr 2012
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Reski, Ralf: Antrittsrede von Herrn Ralf Reski: an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. April 2012
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https://doi.org/10.11588/diglit.55656#0125
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ANTRITTSREDEN

Antrittsrede von Herrn RALF RESKI
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 21. April 2012.

Sehr geehrter Herr Präsident,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
vor Ihnen steht ein Neumitglied mit Migrationshinter-
grund.
Meine Eltern wurden in Ostpreußen geboren.
Mein Vater musste mit 16 an die Ostfront, wurde zwei-
mal angeschossen und überlebte wie durch ein Wunder.
Nach der Gefangenschaft ging er in das Ruhrgebiet,
wo seine Familie einen Fluchtpunkt verabredet hatte.
Meine Mutter musste als 12jährige die Flucht für
sich, ihre Mutter und den gerade geborenen Bruder
organisieren. Über Thüringen als Zwischenstation kamen sie ebenfalls in das Ruhr-
gebiet als Fluchtpunkt ihrer Familie.
In Gelsenkirchen lernten sich beide kennen und lieben. Da mein Vater aus
einem katholischen und meine Mutter aus einem evangelischen Elternhaus stam-
men, war eine Heirat schwierig. Nachdem mein Vater konvertierte, brach seine
Familie den Kontakt zu ihm ab. Im Laufe der Jahre wurden die Familienbande wie-
der stärker als das Trennende der Konfessionen.
Diese Erfahrungen prägten meine Erziehung: Gottvertrauen, Familiensinn,
beharrliche Strebsamkeit, der Wert von Bildung als im Zweifel einzigem portablen
Gut, die Relativierung des Wertes materieller Güter, die man im Zweifel ohne
Zögern hinter sich lassen muss.
Nach dem Umzug in ein kleines Dorf in Schleswig-Holstein kam die Erfah-
rung der Andersartigkeit hinzu. Noch in den späten 60er Jahren waren wir „die
Flüchtlinge“ und die Einheimischen mokierten sich darüber, dass meinem Onkel das
Bürgermeisteramt und meiner Mutter erst die Leitung der Poststelle, dann die Lei-
tung des Kirchenbüros übertragen wurde.
Während der unbeschwerten Kindheit auf dem Lande wuchs meine Liebe zur
Natur und meine Faszination für Werden und Vergehen. Ich grub Sämlinge im Wald
aus und pflanzte sie in den Garten, um dort Bäume beim Wachsen zu beobachten,
kroch Feuersalamandern, Kröten und Mäusen hinterher, hielt und züchtete Kanin-
chen, Fische und Vögel.
In der gymnasialen Oberstufe gewann ich den Eindruck, dass Gentechnik und
Neurobiologie unser Leben grundlegend verändern würden und dass die Gesell-
schaft hierauf nicht vorbereitet sei. Ich beschloss, Journalist zu werden.
So begann ich ein Biologiestudium, für das mich die ZVS nach Gießen
schickte. Da mir Zweifel an den Berufsaussichten für Journalisten kamen und zudem
die Chemieausbildung der Biologen mittelmäßig war, begann ich zusätzlich das
Lehramtsstudium für Biologie und Chemie.
 
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