Das WIN-Kolleg
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regionalen Gruppen in ihrer Mobilität, Ernährung und anderen sozialen Praktiken
sowie ihrer materiellen Kultur unterschieden. Wir möchten analysieren, inwiefern
genetische Verwandtschaftsbeziehungen zwischen endneolithischen und frühbronze-
zeitlichen Gesellschaften bestanden, also unsere technologiebasierten Gesellschafts-
differenzierungen auch prähistorische Distinktionen widerspiegeln. Des Weiteren
untersuchen wir, ob sich mit dem Beginn oder im Verlauf der Bronzezeit tatsächlich
eine Gruppe weiträumig vernetzter und möglicherweise miteinander verwandter
Eliten im Fundgut zu erkennen gibt und welche Rolle hierbei die Herkunft von
Kupfer und Zinn spielte und inwiefern die Umweltarchive Landschaftsveränderun-
gen im späten 3. und frühen 2. Jt. v. Chr. aufzeigen und inwiefern diese durch eine
Veränderung der Mensch-Umwelt-Beziehung, etwa neue Subsistenztechniken,
induziert sein könnten. Diesbezüglich dürfte die Nutzung von Bronzewerkzeugen
eine wichtige Rolle gespielt haben. Die neuartigen, besonders harten Beile sind die
am häufigsten belegte Objektgattung der frühen Bronzezeit und weisen vermutlich
auf intensive Holzbearbeitung und Rodungsaktivitäten hin. Eine zentrale Bedeutung
kommt zudem der kritischen Sichtung des bisherigen auf Bronzeobjekten als Leit-
formen basierenden, relativ-chronologischen Systems zu. Die Frühbronzezeit in
Süddeutschland wird seit der 1924 publizierten Studie Paul Reineckes in eine ältere
Phase Bronzezeit (Bz) Al und eine jüngere Phase Bz A2 untergliedert. Die Phase Bz
Al sah man stets als Initialphase der neuen Technologie, die sich entsprechend durch
kaum oder nur sehr niedrig mit Zinn bzw. Arsen legierte Kupferobjekte, die Domi-
nanz gehämmerter Metallobjekte und einfachen Knochenschmuck auszeichnete.
Daraufhin folgte eine Phase der Blüte des Bronzegusses in Bz A2, die insbesondere
durch eine Vielzahl komplex gegossener Bronzen, die nun mit bis zu 10% Zinn
legiert waren, charakterisiert sei. Die deutlichste Ausprägung findet die Phase Bz A1
in den verschiedenen regionalen Gruppen der süddeutschen Frühbronzezeit, die
Emil Vogt bereits 1948 als „Blechkreis“ bezeichnete. Diese verschiedenen, mehr oder
weniger kleinräumig verbreiteten Gruppen — die Adlerberggruppe am Mittelrhein,
die Neckargruppe in Württemberg, die Oberrhein-Hochrhein-Gruppe und das
Gräberfeld von Singen in Südbaden, die Riesgruppe im Nördlinger Ries, die Lech-
gruppe in Bayrisch-Schwaben, die Straubinger Gruppe in Nieder- und Oberbayern
— sind sich in ihren materiellen Hinterlassenschaften im Großen und Ganzen sehr
ähnlich, lassen sich aber dennoch anhand der Zusammensetzung des Fundinventars
und der Bestattungssitten differenzieren. Die fundreichen Gräberfelder der meisten
süddeutschen Gruppen enden typologisch mit der Stufe Bz Al .Allein aus dem heu-
tigen Bayern ist eine größere Zahl Bz A2-zeitlicher Gräber bekannt. Dem süddeut-
schen „Blechkreis“ stellte Vogt die Aunjetitzer Kultur gegenüber, die im heutigen
Ostdeutschland, der Tschechischen Republik und Teilen von Polen und der Slowa-
kei verbreitet war. Gehämmerte Bronzen sind im Bereich der Aunjetitzer Kultur sel-
ten, dagegen ist eine immense Zahl gegossener Bronzen bekannt. Diese Bronzen
fanden sich allerdings zum größten Teil in Horten, die entsprechend der
Reineckeschen Chronologie typologisch fast durchweg nach Bz A2 datiert wurden.
Die Aunjetitzer Kultur untergliederte man deshalb anhand der Keramik in verschie-
dene Phasen, die dann mit Bz Al und Bz A2 parallelisiert wurden. Seit den 1980er
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regionalen Gruppen in ihrer Mobilität, Ernährung und anderen sozialen Praktiken
sowie ihrer materiellen Kultur unterschieden. Wir möchten analysieren, inwiefern
genetische Verwandtschaftsbeziehungen zwischen endneolithischen und frühbronze-
zeitlichen Gesellschaften bestanden, also unsere technologiebasierten Gesellschafts-
differenzierungen auch prähistorische Distinktionen widerspiegeln. Des Weiteren
untersuchen wir, ob sich mit dem Beginn oder im Verlauf der Bronzezeit tatsächlich
eine Gruppe weiträumig vernetzter und möglicherweise miteinander verwandter
Eliten im Fundgut zu erkennen gibt und welche Rolle hierbei die Herkunft von
Kupfer und Zinn spielte und inwiefern die Umweltarchive Landschaftsveränderun-
gen im späten 3. und frühen 2. Jt. v. Chr. aufzeigen und inwiefern diese durch eine
Veränderung der Mensch-Umwelt-Beziehung, etwa neue Subsistenztechniken,
induziert sein könnten. Diesbezüglich dürfte die Nutzung von Bronzewerkzeugen
eine wichtige Rolle gespielt haben. Die neuartigen, besonders harten Beile sind die
am häufigsten belegte Objektgattung der frühen Bronzezeit und weisen vermutlich
auf intensive Holzbearbeitung und Rodungsaktivitäten hin. Eine zentrale Bedeutung
kommt zudem der kritischen Sichtung des bisherigen auf Bronzeobjekten als Leit-
formen basierenden, relativ-chronologischen Systems zu. Die Frühbronzezeit in
Süddeutschland wird seit der 1924 publizierten Studie Paul Reineckes in eine ältere
Phase Bronzezeit (Bz) Al und eine jüngere Phase Bz A2 untergliedert. Die Phase Bz
Al sah man stets als Initialphase der neuen Technologie, die sich entsprechend durch
kaum oder nur sehr niedrig mit Zinn bzw. Arsen legierte Kupferobjekte, die Domi-
nanz gehämmerter Metallobjekte und einfachen Knochenschmuck auszeichnete.
Daraufhin folgte eine Phase der Blüte des Bronzegusses in Bz A2, die insbesondere
durch eine Vielzahl komplex gegossener Bronzen, die nun mit bis zu 10% Zinn
legiert waren, charakterisiert sei. Die deutlichste Ausprägung findet die Phase Bz A1
in den verschiedenen regionalen Gruppen der süddeutschen Frühbronzezeit, die
Emil Vogt bereits 1948 als „Blechkreis“ bezeichnete. Diese verschiedenen, mehr oder
weniger kleinräumig verbreiteten Gruppen — die Adlerberggruppe am Mittelrhein,
die Neckargruppe in Württemberg, die Oberrhein-Hochrhein-Gruppe und das
Gräberfeld von Singen in Südbaden, die Riesgruppe im Nördlinger Ries, die Lech-
gruppe in Bayrisch-Schwaben, die Straubinger Gruppe in Nieder- und Oberbayern
— sind sich in ihren materiellen Hinterlassenschaften im Großen und Ganzen sehr
ähnlich, lassen sich aber dennoch anhand der Zusammensetzung des Fundinventars
und der Bestattungssitten differenzieren. Die fundreichen Gräberfelder der meisten
süddeutschen Gruppen enden typologisch mit der Stufe Bz Al .Allein aus dem heu-
tigen Bayern ist eine größere Zahl Bz A2-zeitlicher Gräber bekannt. Dem süddeut-
schen „Blechkreis“ stellte Vogt die Aunjetitzer Kultur gegenüber, die im heutigen
Ostdeutschland, der Tschechischen Republik und Teilen von Polen und der Slowa-
kei verbreitet war. Gehämmerte Bronzen sind im Bereich der Aunjetitzer Kultur sel-
ten, dagegen ist eine immense Zahl gegossener Bronzen bekannt. Diese Bronzen
fanden sich allerdings zum größten Teil in Horten, die entsprechend der
Reineckeschen Chronologie typologisch fast durchweg nach Bz A2 datiert wurden.
Die Aunjetitzer Kultur untergliederte man deshalb anhand der Keramik in verschie-
dene Phasen, die dann mit Bz Al und Bz A2 parallelisiert wurden. Seit den 1980er