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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2014 — 2015

DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
DOI Kapitel:
I. Antrittsreden
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Mair, Christian: Christian Mair: Antrittsrede vom 19. Juli 2014
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https://doi.org/10.11588/diglit.55654#0327
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Antrittsrede von Christian Mair

ten ähnliche Abschnitte intensiven Lernens später folgen - so etwa in den Jahren
von 2006 bis 2012, als ich der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschafts-
rats angehören durfte.
Die restlichen biographischen Stationen sind schnell erzählt: Habilitation in
Innsbruck Anfang 1990, ein Ruf auf einen Lehrstuhl an der Freiburger Albert-
Ludwigs-Universität, der ich trotz zweier Rufe an andere Universitäten (Wien und
- Sie mögen es mir verzeihen - Heidelberg) nun seit fast einem Vierteljahrhundert
verbunden bin - mit immer anregenden Unterbrechungen durch gelegentliche
kürzere Gastprofessuren im Ausland.
Bis auf den heutigen Tag bin ich begeistert von den Möglichkeiten, die die
digitale Revolution den Sprachwissenschaften eröffnet. Wir können in kürzester
Zeit riesige Datenmengen statistisch analysieren und die Ergebnisse unserer Un-
tersuchungen eindrucksvoll visualisieren - und so Fragen bearbeiten, die Wissen-
schaftler früherer Generationen nicht zu stellen wagten, weil die Beantwortung
mit ihren Mitteln weit mehr als ein Arbeitsleben verschlungen hätte. Ich sehe aber
auch die Gefahren: big data ist nicht immergood data. Wie können wir zum Beispiel
sicherstellen, dass unsere Werkzeuge uns helfen, unsere wissenschaftlichen Kon-
zepte und Modelle zu überprüfen, und nicht umgekehrt die Freude am Spiel mit
dem mächtigen tool uns die Forschungsfragen diktiert? Oder gewendet ins For-
schungspolitische und Finanzielle: wie können wir verhindern, dass die Kosten
für die Entwicklung und Pflege der wunderbaren neuen digitalen Infrastrukturen
nicht das gesamte knappe Forschungsbudget für die Geisteswissenschaften auf-
fressen?
Der korpuslinguistischen Methodik bin ich also treu geblieben, doch die
Gegenstände haben sich seit der Habilitation geändert. Ausgehend von der rein
synchronen Beschreibung der Syntax des britischen Englisch begann ich mit der
Untersuchung von aktuell ablaufenden diachronen Prozessen des Sprachwan-
dels. Da die ersten digitalen Referenzkorpora des britischen und amerikanischen
Englisch den Sprachstand der frühen 1960er Jahre dokumentierten, lag es nahe,
Vergleichskorpora mit jüngeren Daten zu konstruieren, was ich in den 1990er
Jahren in Freiburg - auch in Folge großzügiger Unterstützung durch die DFG -
tun konnte. Die Zusammenfassung der einschlägigen Untersuchungsergebnisse
erschien 2006, wiederum bei Cambridge University Press, unter dem etwas an-
maßenden Titel Twentieth-century English: History, Variation, Standardization, zu dem
mich der Verlagslektor überredete. Ich freue mich, dass die Idee der Kompilation
von diachronen Vergleichskorpora seitdem auch in Lancaster und Zürich Nach-
folger gefunden hat, so dass heute das gesamte 20. Jahrhundert, genauer gesagt die
Jahre von 1901 bis 2006, systematisch auf diese Weise erschlossen sind.
Will America be the death of English? - so der Untertitel von Edwin Newmans
Buch Strictly Speaking (London: Allen, 1975) - war bei diesen Arbeiten nie eine
Frage, die mich bewegte, doch bin ich zu der für Newman und andere tröstlichen

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