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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2017 — 2018

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A. Das akademische Jahr 2017
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III. Veranstaltungen
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Verleihung des Karl-Jaspers-Preises 2017 an das Ehepaar Jan und Aleida Assmann
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Assmann, Jan: Das Kulturelle Gedächtnis zwischen Vergangenheit und Zukunft
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Assmann, Aleida: Über Erinnerung und Wahrheit, Medien und Öffentlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.55651#0122
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III. Veranstaltungen

und nicht mit gleichzeitigen aber vollkommen anders gelagerten Umbrüchen an-
derswo in einen Topf zu werfen.
Als kulturanalytische Sonde aber ist das Achsenzeit-Theorem ein vorzügliches
Instrument, das meine ägyptologische Arbeit begleitet und unendlich gefördert
hat. Wenn es mir ein Stück weit gelungen ist, aus der Ägyptologie eine Kulturwis-
senschaft zu machen, dann verdankt sich das der Jaspers’schen Sonde, die mich
von Anfang an dazu angeleitet hat, über aller philologischen und archäologischen
Kleinarbeit die kulturphilosophische Perspektive nicht ganz aus dem Auge zu ver-
lieren.
Aleida Assmann:
„Über Erinnerung und Wahrheit, Medien und Öffentlichkeit"
Wer in Heidelberg aufgewachsen ist, hat ein besonderes Verhältnis zu Karl Jas-
pers als Philosophen und Gelehrten. Hier wissen noch einige, dass er mit seiner
Frau in der Plöck gewohnt und nach dem Krieg diese Universität wieder aufge-
baut und nach drei Jahren wieder verlassen hat, weil er das allgemeine Klima des
Schweigens nach 1945 nicht aushielt. Obwohl ich ihn nicht selbst erlebt habe,
kannte und kenne ich einige, die bei ihm studiert haben: Dolf Sternberger, Hilde
Dornin, Erwin Palm und Helm Stierlin. Wir anderen können Jaspers jederzeit
in seinen Texten begegnen. Einen besonderen Eindruck hat auf mich die Rede
gemacht, die er anlässlich der Verleihung des Friedenspreises in der Frankfurter
Paulskirche gehalten hat. Knapp 60 Jahre später nehme ich deshalb die Gelegen-
heit dieser Rede wahr, um Sie auf aktuelle Denkanstöße in jener Jaspers-Rede
aufmerksam zu machen. Mein erster Teil geht über „Erinnerung und Wahrheit“,
der zweite über „Medien und Öffentlichkeit“.
1. Erinnerung und Wahrheit
Ich zitiere Karl Jaspers, der für mich der Vordenker der deutschen Erinnerungs-
kultur ist:
„Bloße Natuiwesen vergessen und fangen von vorn an. Wir aber sind Men-
schen und werden nimmermehr wahrhaftig, wenn wir nicht vor Augen haben, was
getan wurde.“
Diese Worte hat er 1958, also 13 Jahre nach der sogenannten „Stunde Null“
und knapp zehn Jahre vor dem Buch der Mitscherlichs über die deutsche Unfähig-
keit zu Trauern ausgesprochen, mitten hinein in Adenauers Politik des Schlussstrichs
und das Klima des kollektiven Beschweigens der NS-Vergangenheit. Damals hör-
te die Geschichte in den Schulen mit dem Ende des Ersten Weltkriegs auf. Der
Zweite Weltkrieg war zu nah, alle hatten ihn in den Knochen, waren „tätowiert

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