Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2018 — 2019

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2018
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Korte, Barbara: Verhandlungen des Heroischen in britischen Fernsehserien der Gegenwart
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55650#0044
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Wissenschaftliche Vorträge

sen der (tendenziellen) Skepsis gegenüber dem Heroischen ab. So ist etwa für das
späte 20. Jahrhundert ein großes Misstrauen gegenüber Helden und Heldentum
konstatiert worden. Im 21. Jahrhundert hat demgegenüber zumindest der Diskurs
über Helden und Heldentum eine neue Konjunktur - in vielen Fällen weiter-
hin mit einer kritischen, aber nicht mehr grundsätzlich ablehnenden Haltung.
In zeitgenössischen britischen Fernsehserien erweist sich diese - gelegentlich als
,postheroisch4 etikettierte - Mischung von Affirmation und reflektierender Dis-
tanz sehr deutlich und wird dank der Popularität dieser Serien vielen Zuschauern
präsentiert, und zwar nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Gelegenheit
zur Reflexion über das Heroische und seine Aussagekraft über die Gegenwartsge-
sellschaft.
Auch wenn sich das Fernsehen und seine Rezeption seit dem letzten Viertel
des 20. Jahrhunderts deutlich verändert haben, lässt sich weiterhin mit John Ellis
behaupten, dass dieses Medium für seine Zuschauer noch immer zeitgenössische
Vorstellungen und/oder Problemlagen „durcharbeitet“. Für eine Analyse aktueller
kollektiver Vorstellungen über das Heroische und der Gründe für die neue Prä-
senz und Faszinationskraft des Heroischen im 21. Jahrhundert ist das Fernsehen
daher von besonderer Aufschlusskraft und von seinen diversen Formaten vor al-
lem die (qualitätsvolle) fiktionale Fernsehserie, die Geschichten und Figuren über
einen längeren Zeitraum komplex darstellt und so auch eine emotionale Bindung
zwischen Figuren und Zuschauern generiert. Für die Darstellung und Wirkung
heroisierter Figuren und ihrer Gegenspieler ist diese affektive Dimension ebenso
bedeutsam wie die Tatsache, dass das Fernsehen bei der Verhandlung moralischer
Vorstellungen eine Rolle spielt. In letzterer Hinsicht ist für das Projekt aufschluss-
reich, dass viele Fernsehserien, die in den letzten Jahren zu großen Erfolgen bei
Kritikern und Zuschauern wurden, ihre heroisierten Figuren mit moralischer Am-
bivalenz ausstatten.
Alle Serien, die das Projekt untersucht - dabei u. a. auch in Deutschland
ausgestrahlte BBC-Produktionen wie Robin Hood, The Last Kingdom, Luther oder
Sherlock - haben einen expliziten heroischen Diskurs: Das Heroische wird in der
Handlung, im Dialog und durch audiovisuelle Gestaltungsmittel aufgerufen, da-
bei zudem nicht selten auf einer meta-heroischen Ebene explizit reflektiert. Die
ambivalente Moral der heroisch konturierten Figuren fordert traditionelle Vorstel-
lungen des Heroischen aber auch heraus. Dies wurde im zweiten Teil des Vortrags
anhand einiger Szenen der Spionageserie Spooks (BBC 2002-2011) illustriert,
denn Akteure der Geheimdienste haben in der Fiktion eine besondere Affinität zu
zwielichtigem Heldentum. Sie können durchaus im traditionellen Verständnis he-
roisch handeln, etwa wenn sie für die Verteidigung ihres Landes ihr Leben opfern,
doch sie agieren auch dann im Verborgenen, in einer Schattenwelt, in der übliche
moralische Kriterien ausgesetzt sind und ständig verletzt werden. Dies greift die
Serie Spooks bereits in ihrem Titel auf, der einen umgangssprachlichen Ausdruck

44
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften