I. Wissenschaftliche Vorträge
Friedemann Wenzel
„Die geologische Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen"
Gesamtsitzung am 25. Januar 2020
Ein, zumindest aus heutiger Sicht, erstaunlicher Umstand bei der Entwicklung
der Kernenergie besteht darin, dass die Handhabung von nuklearem Abfall kein
Bestandteil des Atomgesetztes war und zunächst nicht geregelt wurde. Dabei hatte
das Gesetz den Schutz der Bevölkerung vor radioaktiven Belastungen durchaus im
Auge. Zudem hatte das Beratergremium der Bundesregierung, die Atomkommis-
sion, die 1956 etabliert wurde und deren erster Vorsitzender Franz-Josef Strauss
war, 1957 auf den Umstand hingewiesen, dass radioaktive Abfälle sicher entsorgt
werden müssten. Die Bundesrepublik steht mit diesem Ausklammern eines we-
sentlichen Problems der Nutzung der Atomenergie aber nicht allein. Zum Bei-
spiel wurde auch in der Schweiz kein Nachweis der sicheren langfristigen Lage-
rungsmöglichkeiten für Abfälle im Atomgesetz von 1959 verlangt.
Die Klassifizierung radioaktiver Abfälle erfolgt nach verschiedenen Kriteri-
en wie der Herkunft (z. B. KKW, medizinische Anwendungen), der Zerfallsdauer
(Halbwertszeit von Cs-137 ist 30 Jahre), der Aktivität (Zerfälle pro Sekunde pro
kg) und bestimmten Entsorgungsprinzipien (oberflächennah oder tief für kurz-
lebigen Abfall). In der BRD gibt es hinsichtlich der Lagerung nur zwei Typen:
Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung (z. B. ausgediente Anlagen-
teile, kontaminierte Werkzeuge, Laboratoriumsabfälle) und wärmeentwickeln-
de Abfälle (z.B. Spaltproduktkonzentrat, gebrauchte Brennelemente). Bis 2040
werden ca. 277.000 m3 (2 % der Radiotoxizität) der ersten und 29.000 m3 (98 %
der Radiotoxizität) der zweiten Kategorie angefallen sein. Das Volumen der lang-
lebigen Abfälle erscheint gering (ca. 30 m X 30 m X 30 m); allerdings erhöhen
die Umstände, dass sie verglast werden müssen, in abschirmenden Behältern ver-
packt werden und diese in erheblichen Abständen eingelagert werden müssen, den
Platzbedarf.
Es ist instruktiv, sich die verschiedenen Zeitskalen vor Augen zu halten, die
bei der Kernenergie von Bedeutung sind: Die Lebensdauer der Brennelemente ist
im Regelfall vier Jahre. Die Lebensdauer eines Reaktors beträgt ca. 50 Jahre. Nach
Verbrauch müssen die Brennelemente ungefähr 50 Jahre ab kühlen, um moderate
Temperaturen zu erreichen, davon ein paar Jahre in einem Nasslager, den Rest der
Zeit in Trockenlagerung in Behältern. Der Zeitraum für die Suche und Einlage-
rung in einem geologischen Tiefenlager bis zu dessen Verschluss wird in der BRD
mit 100 Jahren abgeschätzt. Behälter, die den langlebigen Abfall aufnehmen, soll-
ten je nach Einlagerungsgestein 1.000 bis 100.000 Jahre intakt bleiben. Schließlich
ist die Sicherheit der Tiefenlager für kurzlebige Abfälle über 100.000 Jahre, für
hochaktive über 1.000.000 Jahre nachzuweisen.
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Friedemann Wenzel
„Die geologische Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen"
Gesamtsitzung am 25. Januar 2020
Ein, zumindest aus heutiger Sicht, erstaunlicher Umstand bei der Entwicklung
der Kernenergie besteht darin, dass die Handhabung von nuklearem Abfall kein
Bestandteil des Atomgesetztes war und zunächst nicht geregelt wurde. Dabei hatte
das Gesetz den Schutz der Bevölkerung vor radioaktiven Belastungen durchaus im
Auge. Zudem hatte das Beratergremium der Bundesregierung, die Atomkommis-
sion, die 1956 etabliert wurde und deren erster Vorsitzender Franz-Josef Strauss
war, 1957 auf den Umstand hingewiesen, dass radioaktive Abfälle sicher entsorgt
werden müssten. Die Bundesrepublik steht mit diesem Ausklammern eines we-
sentlichen Problems der Nutzung der Atomenergie aber nicht allein. Zum Bei-
spiel wurde auch in der Schweiz kein Nachweis der sicheren langfristigen Lage-
rungsmöglichkeiten für Abfälle im Atomgesetz von 1959 verlangt.
Die Klassifizierung radioaktiver Abfälle erfolgt nach verschiedenen Kriteri-
en wie der Herkunft (z. B. KKW, medizinische Anwendungen), der Zerfallsdauer
(Halbwertszeit von Cs-137 ist 30 Jahre), der Aktivität (Zerfälle pro Sekunde pro
kg) und bestimmten Entsorgungsprinzipien (oberflächennah oder tief für kurz-
lebigen Abfall). In der BRD gibt es hinsichtlich der Lagerung nur zwei Typen:
Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung (z. B. ausgediente Anlagen-
teile, kontaminierte Werkzeuge, Laboratoriumsabfälle) und wärmeentwickeln-
de Abfälle (z.B. Spaltproduktkonzentrat, gebrauchte Brennelemente). Bis 2040
werden ca. 277.000 m3 (2 % der Radiotoxizität) der ersten und 29.000 m3 (98 %
der Radiotoxizität) der zweiten Kategorie angefallen sein. Das Volumen der lang-
lebigen Abfälle erscheint gering (ca. 30 m X 30 m X 30 m); allerdings erhöhen
die Umstände, dass sie verglast werden müssen, in abschirmenden Behältern ver-
packt werden und diese in erheblichen Abständen eingelagert werden müssen, den
Platzbedarf.
Es ist instruktiv, sich die verschiedenen Zeitskalen vor Augen zu halten, die
bei der Kernenergie von Bedeutung sind: Die Lebensdauer der Brennelemente ist
im Regelfall vier Jahre. Die Lebensdauer eines Reaktors beträgt ca. 50 Jahre. Nach
Verbrauch müssen die Brennelemente ungefähr 50 Jahre ab kühlen, um moderate
Temperaturen zu erreichen, davon ein paar Jahre in einem Nasslager, den Rest der
Zeit in Trockenlagerung in Behältern. Der Zeitraum für die Suche und Einlage-
rung in einem geologischen Tiefenlager bis zu dessen Verschluss wird in der BRD
mit 100 Jahren abgeschätzt. Behälter, die den langlebigen Abfall aufnehmen, soll-
ten je nach Einlagerungsgestein 1.000 bis 100.000 Jahre intakt bleiben. Schließlich
ist die Sicherheit der Tiefenlager für kurzlebige Abfälle über 100.000 Jahre, für
hochaktive über 1.000.000 Jahre nachzuweisen.
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