III. Veranstaltungen
eigenen Angaben auf Drängen des im August 1518 in Wittenberg eingetroffenen
Melanchthon verfasst hat, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Brief von vornhe-
rein zur Publikation in den Illustrium virorum epistolae bestimmt war, deren Druck
laut Kolophon im Mai 1519 abgeschlossen wurde. Damit war der ,Reuchlinkon-
flikt‘, die ,Causa Reuchlini4, unübersehbar mit der ,Causa Luther? verknüpft.
Als Luthers Unterstützerbrief für Reuchlin Mitte 1519 erschien, stand für
den Wittenberger Theologen gerade eine weitere große Bewährungsprobe auf dem
Programm: die Leipziger Disputation, zu der ihn neben dem Theologieprofes-
sor Andreas Karlstadt auch Melanchthon begleitete. Vom 27. Juni bis zum 15. Ju-
li standen Karlstadt und Luther in der Leipziger Pleißenburg abwechselnd dem
redegewaltigen Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck gegenüber. In dem
nach Historienbildern geradezu süchtigen 19. Jahrhundert bildete die Leipziger
Disputation ein bei Protestanten beliebtes Sujet. Wurden die Disputanten Eck und
Luther in Aktion gezeigt, durfte der neben Luthers Rednerpult sitzende Melan-
chthon genauso wenig fehlen wie der Narr unter dem Pult von Johannes Eck.
Wurde dagegen Luthers Einzug in Leipzig am 24. Juni 1519 im Bild festgehalten,
saß selbstverständlich ebenfalls Melanchthon neben ihm hoch auf dem offenen
Rollwagen.
Reuchlin kehrte Mitte 1521 von einem anderthalbjährigen Aufenthalt in In-
golstadt nach Württemberg zurück, wo er in Tübingen noch einige Monate als
Professor wirkte und gut besuchte Griechisch- und Hebräischvorlesungen hielt;
am 30. Juni 1522 ist er in Stuttgart gestorben. Melanchthon war unterdessen von
ganz anderen privaten und welthistorischen Ereignissen in Beschlag genommen:
seiner Heirat mit Katharina Krapp, seiner Entwicklung zum reformatorischen
Theologen, der Verbrennung der Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ am
Wittenberger Elstertor, dem Wormser Reichstag von 1521, Luthers anschließen-
dem Aufenthalt auf der Wartburg, den Wittenberger Unruhen und schließlich Lu-
thers endgültiger Rückkehr von der Wartburg im März 1522.
Als Melanchthon dreißig Jahre nach Reuchlins Tod auf das Leben seines ver-
ehrten Mentors zurückblickte, hatte die inzwischen verflossene Zeit bei ihm viele
Wunden gerissen. Er war nun selbst so alt, wie Reuchlin es gewesen war, als Melan-
chthon als junger Pforzheimer Lateinschüler und Tübinger Student häufiger mit
ihm zusammentraf. Der gealterte Reformator empfand seine eigene Lebenszeit als
friedlos, nicht nur wegen der jahrzehntelangen Konfrontation mit der römisch-
katholischen Papstkirche, sondern auch angesichts der schier unaufhörlichen
innerprotestantischen Auseinandersetzungen, in die Melanchthon unentrinnbar
verstrickt war. Im Kontrast dazu erschien ihm Reuchlins Lebenszeit geradezu als
ein Goldenes Zeitalter. In seiner 1552 in lateinischer Sprache verfassten Rede auf
Johannes Reuchlin aus Pforzheim, die Melanchthon damals unverzüglich drucken ließ
und an Freunde und Weggefährten verschickte, wird das zu Beginn benutzte Bild
der „Aurea aetas“ daher mit einer als eisern und kriegerisch beschriebenen Ge-
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eigenen Angaben auf Drängen des im August 1518 in Wittenberg eingetroffenen
Melanchthon verfasst hat, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Brief von vornhe-
rein zur Publikation in den Illustrium virorum epistolae bestimmt war, deren Druck
laut Kolophon im Mai 1519 abgeschlossen wurde. Damit war der ,Reuchlinkon-
flikt‘, die ,Causa Reuchlini4, unübersehbar mit der ,Causa Luther? verknüpft.
Als Luthers Unterstützerbrief für Reuchlin Mitte 1519 erschien, stand für
den Wittenberger Theologen gerade eine weitere große Bewährungsprobe auf dem
Programm: die Leipziger Disputation, zu der ihn neben dem Theologieprofes-
sor Andreas Karlstadt auch Melanchthon begleitete. Vom 27. Juni bis zum 15. Ju-
li standen Karlstadt und Luther in der Leipziger Pleißenburg abwechselnd dem
redegewaltigen Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck gegenüber. In dem
nach Historienbildern geradezu süchtigen 19. Jahrhundert bildete die Leipziger
Disputation ein bei Protestanten beliebtes Sujet. Wurden die Disputanten Eck und
Luther in Aktion gezeigt, durfte der neben Luthers Rednerpult sitzende Melan-
chthon genauso wenig fehlen wie der Narr unter dem Pult von Johannes Eck.
Wurde dagegen Luthers Einzug in Leipzig am 24. Juni 1519 im Bild festgehalten,
saß selbstverständlich ebenfalls Melanchthon neben ihm hoch auf dem offenen
Rollwagen.
Reuchlin kehrte Mitte 1521 von einem anderthalbjährigen Aufenthalt in In-
golstadt nach Württemberg zurück, wo er in Tübingen noch einige Monate als
Professor wirkte und gut besuchte Griechisch- und Hebräischvorlesungen hielt;
am 30. Juni 1522 ist er in Stuttgart gestorben. Melanchthon war unterdessen von
ganz anderen privaten und welthistorischen Ereignissen in Beschlag genommen:
seiner Heirat mit Katharina Krapp, seiner Entwicklung zum reformatorischen
Theologen, der Verbrennung der Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ am
Wittenberger Elstertor, dem Wormser Reichstag von 1521, Luthers anschließen-
dem Aufenthalt auf der Wartburg, den Wittenberger Unruhen und schließlich Lu-
thers endgültiger Rückkehr von der Wartburg im März 1522.
Als Melanchthon dreißig Jahre nach Reuchlins Tod auf das Leben seines ver-
ehrten Mentors zurückblickte, hatte die inzwischen verflossene Zeit bei ihm viele
Wunden gerissen. Er war nun selbst so alt, wie Reuchlin es gewesen war, als Melan-
chthon als junger Pforzheimer Lateinschüler und Tübinger Student häufiger mit
ihm zusammentraf. Der gealterte Reformator empfand seine eigene Lebenszeit als
friedlos, nicht nur wegen der jahrzehntelangen Konfrontation mit der römisch-
katholischen Papstkirche, sondern auch angesichts der schier unaufhörlichen
innerprotestantischen Auseinandersetzungen, in die Melanchthon unentrinnbar
verstrickt war. Im Kontrast dazu erschien ihm Reuchlins Lebenszeit geradezu als
ein Goldenes Zeitalter. In seiner 1552 in lateinischer Sprache verfassten Rede auf
Johannes Reuchlin aus Pforzheim, die Melanchthon damals unverzüglich drucken ließ
und an Freunde und Weggefährten verschickte, wird das zu Beginn benutzte Bild
der „Aurea aetas“ daher mit einer als eisern und kriegerisch beschriebenen Ge-
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