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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0058
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54 | 2. Analyse des Forschungsstands
»Reform« von Klöstern politisches Mittel sein konnte.195 Jüngst haben vor allem
Vanderputten und Meijns diesen Ansatz fortgeführt. Wie im Fall der Konflikte
sehen sie auch in den »Reformen« den Versuch, das Verhältnis zwischen den welt-
lichen Herren und den Klöstern, aber auch zwischen weltlichen Herren und dem
Grafen neu zu definieren.196
Gerade im Zusammenhang mit Spannungen und Konflikten hat sich die For-
schung der letzten Jahre auch intensiv mit der Quellenproblematik befasst. Be-
kanntlich stammen die überlieferten Dokumente bis ins 13. Jahrhundert weitgehend
aus der Feder von Geistlichen und spiegeln somit deren Sicht der Dinge wider.197 Es
ist daher äußerst schwer, die Rolle der Laien fassen zu wollen. Als Herren über Per-
gament und Feder entschieden die Mönche darüber, welches Bild der Laien sie der
Nachwelt überlieferten. Das Spektrum reicht hierbei von der Marginalisierung ihrer
Bedeutung bis hin zu ihrer Diffamierung und Diabolisierung.198 199 Weit schlimmer,
aber auch weit schwieriger zu fassen, ist die damnatio memoriae durch bewusste
Auslassung von Namen und res gestae.™
Kloster und Wirtschaft
Die intensiven Kontakte der Mönche mit der Außenwelt sind letztendlich auch
auf ganz existenzielle Bedürfnisse zurückzuführen, galt es doch den Fortbestand
einer Gemeinschaft durch die Bewirtschaftung und die Verwaltung ihres Besitzes
zu sichern. Die Forschung hat sich mit der Wirtschaft der Klöster und mit ihren
wirtschaftlichen Beziehungen zur Außenwelt auf vielfältige Weise eingehend be-
fasst.200 Auch dem Phänomen der »Klosterreform« näherte sich die Forschung,
195 H. Jakobs, Der Adel in der Klosterreform; für Lothringen vgl. M. Margue, La dimension politique des
»reformes« monastiques.
196 B. Meijns, La reorientation du paysage; S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty.
197 N. Ruffini-Ronzani, J. E Nieus, Societe seigneuriale, S. 80-99.
198 J. B. W. Nightingale, Monasteries and Patrons; A. M. Helvetius, Abbaye, eveques, S. 290-304; E Mazel,
Seigneurs, moines et chanoines; Ders., De l’emprise aristocratique; J. H. Foulon, Eglise et reforme; zu
dem in diesem Zusammenhang auftauchenden Kampfbegriff der « mauvaises coutumes » vgl. E Mazel,
Encore les « mauvaises coutumes ». Zur Darstellung von adliger Gewalt aus der Sicht der Mönche vgl.
S. D. White, Repenser la violence. Eine Marginalisierung der Rolle des Reformers Gerhard von Brogne
zugunsten von Graf Arnulf I. konstatieren S. Vanderputten, B. Meijns, Gerard de Brogne en Flandre in
der zeitgenössischen flandrischen Historiographie. Zur damnatio memoriae vgl. zu Flandern S. Vander-
putten, Individual Experience; zur Provence F. Mazel, La noblesse et l’Eglise, S. 164-169; zum Ponthieu
L. Morelle, The Metamorphosis.
199 F. Mazel, Amitie et rupture konnte zeigen, dass Konflikte oft weit weniger dramatisch waren, als es der
monastische Diskurs glauben machen will.
200 Einen guten Überblick über die Forschung der letzten Jahre zu Aspekten der Klosterwirtschaft der
Benediktiner liefert A. Wilkin, Communautes benedictines et environnement.
 
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