Metadaten

Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0089
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4. Die Grafschaft Flandern | 85

jenen Norditaliens bei weitem überstieg.356 In der Forschung wurde dies unter ande-
rem mit einem beträchtlichen Bevölkerungswachstum, aber auch vor allem mit der
ab dem frühen 12. Jahrhundert fassbaren Intensivierung der Handelsbeziehungen
mit England erklärt.357 Die Produktion flandrischen Tuchs, wofür Saint-Omer und
vor allem Ypern im folgenden Jahrhundert bekannt wurden, war nämlich weitge-
hend auf den Import englischer Wolle angewiesen und brachte den Städten großen
Reichtum und Selbstbewusstsein ein.358 Die ersten Ansätze zu einem organisierten
Leben in den Städten finden sich in den Händlergilden, die, wie in Saint-Omer
besonders gut dokumentiert ist, die Bedingungen für den Handel verbessern woll-
ten.359 Zu Beginn des 12. Jahrhunderts lässt sich in den meisten Städten bereits eine
Stadtherrschaft und ihre entsprechenden Organe, wie beispielsweise das städtische
Schöffengericht, fassen.360 Die Krise um die Nachfolge Karls des Guten beförder-
te diese Entwicklung maßgeblich: Der neue Graf, Wilhelm Clito, nahm nicht nur
die Huldigung aller großen flandrischen Städte entgegen, sondern erteilte ihnen
wichtige Privilegien, die bereits als Stadtrechte bezeichnet werden dürfen. Von den
ausgestellten Urkunden, über die Galbert berichtet, ist aber lediglich das Privileg
für Saint-Omer erhalten, das auf den 14. April 1127 datiert.361

356 D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 117: »With the phenomenal growth during the twelfth Century, how-
ever, the urban density of Flanders became the most extreme in Europe, surpassing even Italy. The
Flemish towns were no more than 60-90 kilometres apart; Tournai, Douai, Ypres and Courtrai were
within a radius of 25 kilometres of Lille. Every great Italian merchant city controlled a territory as large
as Flanders.« VgL dazu auch Ders., Of Poverty and Primacy.
357 Zum Bevölkerungswachstum vgl. D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 107-109; zum Handel mit England
ebd., S. 116-117.
358 Zur Tuchproduktion in den großen Städten A. Verhulst, Sheep-Breeding and Wool Production; zusam-
menfassend auch D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 112-117.
359 A. Derville, Saint-Omer, S. 83-121.
360 H. Platelle, Histoire des provinces framjaises du Nord, S. 71-73.
361 Dietrich von Elsass bestätigte die Urkunde 1128: Th. de Hemptinne, A. Verhulst (Hgg.), De Oorkonden,
Bd. 1, D 2, S. 14-17; zu dieser Urkunde R. C. van Caenegem, De kure van Sint-Omaars; G. Espinas, Le
privilege de Saint-Omer.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften