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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0088
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84 | 4. Die Grafschaft Flandern

Krise habe aber die Stärken und Schwächen des flandrischen Lehnswesens zu Tage
gefördert, was diesen Text dennoch zu einem wertvollen Zeugnis macht.350
Auch wenn lehnsrechtliche Bindungen und Vasallität in der Grafschaft Flan-
dern eine bedeutende Rolle spielten, war Flandern, wie Heirbaut und Thomas
Bisson zeigen, kein »Lehensstaat«.351 Patzold pointiert dies folgendermaßen: »Die
Herrschaft der Grafen von Flandern beruhte nämlich keineswegs ausschließlich auf
Lehensbindungen. Sie fußte nicht minder auf jener Huldigung, die die Flamen als
Untertanen des Grafen zu leisten hatten - wie es Galbert von Brügge 1127 ebenfalls
beschrieben hat. Auch auf den übrigen Ebenen der Gesellschaft war das Miteinan-
der von Lehen und Vasallität zwar wichtig, aber dennoch nur eine Organisations-
form neben anderen.«352
Die Krise der Jahre 1127/28 lässt erstmals erkennen, auf welchen Pfeilern die
Herrschaft der Grafen basierte. Neben dem Adel kam dabei vor allem den flandri-
schen Städten eine bedeutende Rolle und großes politisches Gewicht zu. Ihre Be-
deutung hing eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Gegend zusammen.
Die Grafschaft Flandern war eine Gegend, deren Wirtschaftskraft weniger auf
der Landwirtschaft als vielmehr auf dem Handel beruhte.353 Die Grafen von Flan-
dern erwiesen sich dabei als große Förderer des Handels, indem sie, wie die Bei-
spiele Lilles und Yperns verdeutlichen, Städte gründeten, sich für den Frieden in
der Grafschaft und insbesondere den Marktfrieden einsetzten und nicht zuletzt
Messen in den großen Städten abhalten ließen.354 Während die flandrischen Städte
im 11. Jahrhundert an Bedeutung von den Städten Nordfrankreichs und Englands
weitgehend überschattet wurden, sollte sich dies zu Beginn des 12. Jahrhunderts
rasch ändern.355 David Nicholas stellt fest, dass der Urbanisierungsgrad Flanderns
350 D. Heirbaut, Not European Feudalism, besonders S. 87-88; Ders., Rituale und Rechtsgewohnheiten im
flämischen Lehnrecht.
351 D. Heirbaut, Flanders: a Pioneer of State-Oriented Feudalism? Zur militärischen Bedeutung Ders., De
militaire rol van de feodaliteit; Th. N. Bisson, Lordship and Tenurial Dependence in Flanders.
352 S. Patzold, Das Lehnswesen, S. 63.
353 Dazu zusammenfassend D. M. Nicholas, Medieval Flanders, S. 97-109; H. Platelle, Histoire des provin-
ces framjaises du Nord, S. 33-76.
354 Zur gräflichen Städtepolitik vgl. J. Dhondt, Developpement urbain et initiative comtale; zur Gründung
Lilles durch Balduin V. vgl. G. A. Declercq, Le comte Baudouin V; F. L. Ganshof, Note sur une charte
de Baudouin V; zu Ypern, A. Verhulst, Les origines de la ville d’Ypres; O. Mus, Revolution de la ville
d’Ypres; A. Verhulst, leper in de lle-12e eeuw. Zu einer Stadtgründung im 12. Jahrhundert vgl. A. Ver-
hulst, Une ville-neuve comtale; zur gräflichen Wirtschaftspolitik im 11. und 12. Jahrhundert zudem
A. Verhulst, Les franchises rurales; Ders., Initiative comtale et developpement economique; zu den
Messen vgl. M. Yamada, Le mouvement des foires en Flandre; zusammenfassend D. Nicholas, Medieval
Flanders, S. 111-112.
355 Zum Aufkommen und zur Entwicklung der flandrischen Städte wurde intensiv geforscht. Es sei hier
stellvertretend für die große Zahl von Arbeiten lediglich verwiesen auf A. Verhulst, Die flandrischen
Städte im hohen Mittelalter; Ders., The Rise of Cities in North-West Europe.
 
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