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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0446
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3. Veränderungen in der Lebensweise
3.1. Ut timet monachus Alvisi baculum
Als Alvisus 1111 zum Abt von Anchin gewählt wurde, sah er sich einer Gemein-
schaft gegenüber, die im Inneren zerrüttet war. Er hatte nun unter anderem die
Aufgabe, die dortigen Mönche wieder zu einem gottgefälligen Leben zu führen. Da
Alvisus bereits zwischen 1109 und 1111 besondere Verdienste bei der Wiederherstel-
lung der religio und disciplina in Saint-Vaast erworben hatte, ist davon auszugehen,
dass er nun eben dieses Werk in Anchin fortsetzte.1760
Aus der klostereigenen Historiographie lässt sich äußerst wenig über seine Neu-
erungen in Erfahrung bringen. Lediglich im Auctarium heißt es über Alvisus in
aller Kürze, er sei ein vir magnae religionis et singularis severitatis gewesen.1761
Erst die Ende des 12. Jahrhunderts verfasste Historia monasterii widmet sich Al-
visus etwas ausführlicher. Da das gesamte Werk eine Art Kompilation verschiede-
ner älterer Dokumente darstellt, hat Gerzaguet die Vermutung geäußert, dass der
Kompilator hier auf eine sonst nicht weiter bekannte Vita Alvisi zurückgegriffen
haben könnte.1762
Neben einer stereotypen Beschreibung der Tugenden des Alvisus legt der Autor
dieses Textes großen Wert darauf, dass dieser Abt die Gemeinschaft von Anchin in
einen Hort der religio et disciplina verwandelt habe. Zahlreiche Ritter und Kleriker
hätten das Kloster von Anchin ausgewählt, da sie wussten, dass dort der ordo mo-
nachicae disciplinae mit besonderem Eifer befolgt wurde.1763
Ein in der Historia überliefertes Gedicht auf Alvisus greift dies nochmals auf. So
sei er ein Abt gewesen, dessen besondere Fähigkeit bewundernswert war. Mit Got-
tes Hilfe habe er den ordo, der im Königreich Frankreich bereits sehr geschwächt
war, wieder gestärkt und der Regel eine angemessene Erscheinungsform zurück-
gegeben. Das Gedicht bemerkt abschließend, dass kein Ritter in Frankreich des

1760 Zur correctio von Saint-Vaast siehe oben S. 183-185.
1761 Auctarium, S. 395: »[...] domnus Alvisus, Aquicinensi aecclesiae sextus abbas, vir magnae religionis et
singularis severitatis.«
1762 J. P. Gerzaguet, L’abbaye d’Anchin, S. 40. Über die Datierung dieses Textes lassen sich keine belastba-
ren Aussagen treffen.
1763 Historia, c. 5, S. 587: »Renitescebat tune Aquicinctus claritate sublimium personarum, tarn laicorum
quam clericorum, quae ad idem coenobium causa emendationis vitae et salutis perpetuae de diversis
regionibus velut apes ad mellea castra confluxerant, et quia ibi ordinem monachicae disciplinae ferven-
tius conservari cognoverant.«
 
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