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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0087
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4. Die Grafschaft Flandern | 83

mit deutlich, »that their Statuts was an open secret among the other potentates.«343
Karls Vorgehen gegen diese mächtige und aufstrebende Ministerialenfamilie zeigt
diese Entwicklung auf sehr anschauliche Weise. Aber bereits vor Karl sahen sich die
Grafen immer wieder dazu veranlasst, diese Familien in ihre Schranken zu verwei-
sen. Vanderputten konnte am Beispiel der Abtei von Marchiennes zeigen, dass
die Vogteirechte an Klöstern von ministerialen oder niederadligen Familien nicht
selten dazu genutzt wurden, die eigene Position der Familie auf Kosten der Klöster
zu stärken. Die Unterstützung der correctio eines Klosters durch den Grafen zielte
somit unter anderem auch darauf ab, die ursprünglichen Beziehungen zwischen
dem Graf, dem Dienstmann und dem Kloster wieder in Erinnerung zu rufen.344
Die Beziehungen zwischen dem Grafen und den weltlichen Herren seiner Graf-
schaft wurden lange Zeit mit dem vor allem von Frangois-Louis Ganshof geprägten
Modell des Lehnswesens beschrieben.345 Die Studie Susan Reynolds stellte dieses
Modell aber grundlegend in Frage und eröffnete eine wichtige Kontroverse.346 Der
Grafschaft Flandern kommt in diesem Zusammenhang allerdings eine besondere
Rolle zu: Zunächst wurde darauf hingewiesen, dass sich Ganshof weitgehend auf
Quellen aus dem Nordosten Frankreichs stützte, was wiederum die Frage aufwarf,
ob sein Modell des Lehnswesens für diesen Raum und besonders für die Grafschaft
Flandern tatsächlich Gültigkeit besitzt.347 Die Studien Dirk Heirbauts zeigen,
dass das flandrische Lehenswesen im Vergleich zu anderen Regionen Europas eine
wichtige Sonderstellung einnahm: »[...] Flemish feudalism was exceptional in many
ways: it was earlier, more controlled, more family-orientated, and less influenced by
foreign practices than almost any other feudalism in Europe.«348
Bei der Frage nach einem flandrischen Lehenswesen wurde in der Forschung
meist auf das viel zitierte Tagebuch Galberts von Brügge verwiesen.349 Heirbaut
betont jedoch, dass Galberts Text nicht den Normalzustand, sondern den durch die
Krise des Jahres 1127 verursachten Ausnahmezustand widerspiegelt. Gerade diese
343 D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 62-63; Galbert von Brügge, De multro, c. 7, Z. 13-19, S. 17-19:
»Unde praepositus Bertulfus ille Brugensis et frater ejus castellanus in Brugis cum nepotibus suis Bor-
siardo, Roberto, Alberto et ceteris de illa cognatione praecipuis, elaborabat omni astutia et ingenio,
quomodo a Servitute et pertinentia comitis sese absentaret et subterfugeret. Nam et ipsi de comitis
pertinentia erant conditione servili.«
344 S. Vanderputten, Fulchard’s Pigsty zeigt dies am Beispiel der Familie der Landas.
345 E L. Ganshof, Qu’est-ce qu’est la feodalite.
346 S. Reynolds, Fiefs and Vassais; über die Kontroverse vgl. S. Patzold, Das Lehnswesen und S. Reynolds,
Fiefs and Vassais After Twelve Years.
347 D. Heirbaut, Zentral im Lehnswesen nach Ganshof.
348 D. Heirbaut, Not European Feudalism, S. 88; vgl. auch Ders., Over heren, S. 309-320; Ders., Over
lenen en families, S. 207-217.
349 S. Patzold, Das Lehnswesen, S. 58-63; Ph. Depreux, Lehnsrechtliche Symbolhandlungen; D. Heirbaut,
Galbert van Brugge: een bron.
 
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