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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0127
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3. Die Veränderungen durch die correctio | 123

aufgebracht waren. Zumindest Lambert müsste über diese Bestimmungen bestens
Bescheid gewusst haben. Mit dem bevorstehenden Besuch des Pontius erhielten die
theoretischen Bestimmungen und Pflichten plötzlich eine ganz reale Dimension.
Poecks Annahme, Lambert habe seine abgelegte Profess mit dem Tod Hugos von
Cluny als erloschen angesehen, ist angesichts seiner großen Angst vor dem Besuch
des Pontius und seines späteren Kooperierens mit diesem mehr als unwahrschein-
lich.520
Erst als sich Lambert der vollen Unterstützung des gräflichen Hofs und der
Großen sicher sein konnte, begann er damit, die Gültigkeit seiner Profess in Frage
zu stellen. Ein Brief Paschalis II., der auf den 30. September 1112 datiert ist, antwor-
tet auf eine Anfrage Lamberts und entbindet ihn von seiner Profess. Der Papst argu-
mentierte basierend auf kirchlichem Recht und Gewohnheit, dass ein Kleriker, der
von seinem Bischof in eine andere Diözese versetzt wird, genauso wie ein Mönch,
der von seinem Abt in eine andere Gemeinschaft geschickt wird, weder an die sta-
bilitas loci noch an den Gehorsam gegenüber dem Abt gebunden sei.521 In dieser
für Lambert äußerst günstigen Argumentation mag letztlich auch die Tatsache eine
Rolle gespielt haben, dass Saint-Bertin seinen Status als Abtei beibehalten hatte.
Dadurch gehörte die Gemeinschaft von Sithiu streng genommen nicht zur Groß-
gemeinschaft von Cluny, sondern war de facto eine eigenständige Gemeinschaft.522
Die Folgen des Schreibens vom 30. September 1112 waren, wie bereits Maximi-
lian Sdralek feststellte, noch weitreichender: »[...] nach dieser Entscheidung ver-
blieben ihm [Lambert] nicht nur seine eigenen Mönche, selbst wenn sie einmal zu
Cluny Profess abgelegt hatten, um gleich ihm dort die Ordensdisziplin kennen zu
lernen; er durfte auch die Cluniacenser behalten, die mit Genehmigung des grossen
Abtes Hugo in sein Kloster übergetreten waren und deren Auslieferung an Pontius
Abt Lambert nachgegeben hatte.«523 Die päpstliche Entscheidung war für Lambert
somit ein voller Erfolg.
In Cluny hingegen scheint die Aufhebung der Profess Lamberts klare Folgen
gehabt zu haben. In keinem der cluniazensischen Nekrologien taucht der Name
520 D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 98; in Cluny macht das Statutum Hugos eindeutig klar, dass Lambert
auch den Nachfolgern des Abtes von Cluny Gehorsam schuldet vgl. H. E. J. Cowdrey, Two Studies, II.
Abbot Pontius of Cluny, S. 162: »[...] ut in nostra obedientia quamdiu vixerit deuote permaneat.«
521 M. Sdralek, Wolfenbüttler Fragmente, S. 114-115: »Interrogationi vestre id respondemus, quod tocius
ecclesie consuetudo conservat et quod legum scita confirmant. Postquam enim vel ab episcopo clericus
vel ab abbate monacus de ecclesia ad ecclesiam, de monasterio ad monasterium traditur, quantum ad loci
stabilitatem et abbatis oboedientiam professionis vinculo non tenetur.«
522 Über die Vorstellung der Ecclesia cluniacensis als eine große Gemeinschaft vgl. D. Poeck, Cluniacensis
ecclesia; J. Wollasch, Stabilitas in congregatione. Zur besonderen Stellung der Abteien innerhalb des
Klosterverbands vgl. D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 77-131.
523 M. Sdralek, Wolfenbüttler Fragmente, S. 76-77.
 
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