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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0236
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232 | II. Die Abtei von Marchiennes

Über Fulchards Amtsausübung in den ersten Jahren ist man lediglich durch ei-
nige wenige Urkunden unterrichtet, in deren Zeugenlisten sein Name auftaucht.968
Unter den übrigen Äbten der Diözese scheint er zunächst eine wenig auffallende
Rolle gespielt zu haben. Dies änderte sich aber ab dem Jahr 1110. Aus dieser Zeit ist
ein Brief Bischof Lamberts von Arras an Abt Fulchard überliefert.969 Darin erfährt
man zunächst, dass diesem Brief bereits ein anderes Schreiben vorausgegangen sein
muss, in dem Fulchard an den Hof des Bischofs zitiert worden war. Fulchard hatte
diesen Brief aber offensichtlich ignoriert und erhielt nun von Lambert eine zwei-
te Frist.970 Grund für dieses Vorgehen waren Klagen, die dem Bischof von Arras
bezüglich der Amtsführung Fulchards zu Ohren gekommen waren. So sei es not-
wendig, über seine religio und die Lebensweise in seinem Kloster zu sprechen. Die
Angelegenheit sei umso dringlicher, da der Kardinallegat Richard von Albano ein
Konzil einberufen habe, auf dem alle Äbte der Kirchenprovinz Reims teilnehmen
sollten.971
Für Bischof Lambert war es daher eine äußerst ungünstige Situation, dass eine
Abtei seines Bistums in Verruf gekommen war. Nach Vanderputten war es für
Lambert besonders wichtig, sich zu diesem Anlass als wachsamer Oberhirte und
»Reformer« zu präsentieren und dies umso mehr, da sein Bistum noch sehr jung
war und der Legitimierung bedurfte.972
Was war nun aber in den wenigen Jahren des Abbatiats Fulchards geschehen,
dass der Bischof von Arras sich zum Eingreifen verpflichtet fühlte? Galberts Pat-
rocinium überliefert den Grund hierfür: Die Gemeinschaft habe sich zu dieser Zeit
nach einem schweren Konflikt mit dem Abt nahezu vollständig aufgelöst und nur
ein einziger Konverse, der ebenfalls den Namen Fulchard trug, sei in Marchiennes
zurückgeblieben.973
968 B. M. Tock, Les listes des temoins, S. 105-109; S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 102.
969 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 111, S. 480-481.
970 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 111, S. 481: »Cum litteras nostras nuper tibi miserimus
et per obedientiam tibi praeceperimus quatenus in quinta praeterita feria ad nos venires et necdum venis-
ti, nec quare non venerris mandasti, non sicut hactenus aeque portamus. Mandamus ergo tibi et, ea qua
tibi auctoritate praesumus, constanter praecipimus quatenus, remota omni occasione, in instant quinta
feria sive prima sequenti sexta feria, ante horam sextam, te nobis praesentare non differas.«
971 C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert, E 111, S. 481: »Habemus enim tecum de religione tua
et de conversatione monasterii tui collationem facere quia cardinalis donnus Richardus episcopus apos-
tolicae sedis legatus, concilium celebrare ante festivitatem sancti Remigii disposuit et abbates Remensis
provinciae adesse mandavit.« Das Konzil fand im Oktober 1110 in der Abtei von Fleury statt. Vgl. dazu
Th. Schieffer, Die päpstlichen Legaten in Frankreich, S. 182-183.
972 S. Vanderputten, Fulcard’s Pigsty, S. 102-103; zur Politik Lamberts von Arras vgl. L. Kery, Die Errich-
tung des Bistums, S. 353-412; zusammenfassend auch bei B. M. Tock, Jean de Warneton, S. 115-117;
zum Archiv und Register Lamberts L. Morelle, Archives episcopales et formulaires; Ders., La pratique
epistolaire de Lambert; C. Giordanengo (Hg.), Le registre de Lambert.
973 Galbert, Patrocinium, c. 3, S. 146D-E: »Erat enim Frater ille, de quo agimus, infra limina Apostolorum
Petri & Pauli, quasi in reclusione solitarius, tarn a suo, qui tune temporis erat fere solo-tenus nomine
 
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