2. Die correctio von Marchiennes | 233
In seinen Miracula geht Galbert auf diesen Konflikt etwas näher ein. Demnach
habe Fulchard seinen Mönchen vorgeworfen, kein frommes Leben zu führen. Die
Brüder hingegen beschwerten sich darüber, dass ihr Abt sich nicht genügend um
ihr körperliches Wohlergehen kümmere. Fulchard habe die Mönche ermahnt und
gefordert, dass die ihm vom Bischof anvertraute Gemeinschaft sein gerechtes Ur-
teil zu akzeptieren habe, worauf die Brüder entgegneten, dass sie sich weder dem
Bischof unterwerfen, noch sich einer correctio oder einer Bestrafung unterziehen
werden. Stattdessen entschieden sie sich, das Kloster zu verlassen.974
Diese Passage ist von besonderem Interesse, da sie eine etwas andere Perspektive
bietet als der zitierte Brief Lamberts und die später entstandenen Texte. Diese zielen
in erster Linie darauf ab, Fulchard zu einem schlechten Abt zu stilisieren, der seinen
adligen Lebenswandel nicht abgelegt hatte und, wie die Annalen des Kloster zu
berichten wissen, Klosterbesitz an seine Verwandten ausgegeben habe.975 Eben dies
impliziert auch Galbert in seinen Miracula, wenn er berichtete, dass die Mönche
Fulchard vorwarfen, nicht für ihren Unterhalt zu sorgen. Er deutet damit letztlich
an, dass Fulchard Besitz der mensa conventualis veruntreut und dadurch den Un-
mut der Brüder hervorgerufen hatte.
Durch wen Bischof Lambert über den Zustand der Abtei von Marchiennes er-
fahren hatte, lässt sich mit Gewissheit nicht sagen. Die geflohenen Mönche dürften
jedoch das Ihrige dazu beigetragen haben. Galbert weiß zu berichten, dass sich
Fulchard schließlich an den bischöflichen Hof begeben habe und sich dort mit ei-
ner Vielzahl von Personen konfrontiert sah, die gegen ihn Klage erhoben und ihn
seiner Schuld überführen wollten. Hierüber erbost, habe er seinen Abtsstab vor die
Füße des Bischofs geworfen und damit, wie Galbert bemerkt, eigentlich sein Amt
Abbate, Fulchardo, quam a Fratribus ceteris, per diversa circumquaque loca gyrovagis & ab Abbate suo
discordantibus, derelictus.« Vgl. dazu auch Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1, S. 99 B: »Solus
in monasterio Conversus remanserat, nomine Fulchardus, Corpora sanctorum, [qu§ alioquin] cum ce-
teris deperissent, diligenter & cum summa veneratione custodiens.«
974 Galbert, Miracula, I, c. 2, S. 127F: »Ad hoc tarnen conabatur, ut redigeret locum in solitudinem, a quo
seminator discordiae inter oves & pastorem, proh nefas! pacis abstulerat unitatem. Pastor praetendebat
causam adversus oves, non servari ab eis Religionem; oves adversus pastorem sibi non sufficienter im-
pendi corpoream necessitatem. Pastor intimabat, ut res sese habebat, sibi praeceptum esse ab Episcopo,
ut quem gregem haberet sub manu sua, sibi repraesentaret justoque exerendo judicio; grex econtra ad-
ferebat, se non debere manui supponi Episcopali, correctioni vel supplicio. Hac igitur altercatione hac
illacque, proh dolor! partes faciente, atque inimico zizania discordiae seminante, atque virus antiquae
neci, propinatum diffundente, domus Dei negligebatur; servitio Dei neglecto, neglectis quoque sacris
altaribus, sacra aedes paulatim periclitabatur.«
975 Annales Marchiacenses, S. 615: »Ordinatus abbas, seculariter vivendo substantiam monasterii parentibus
suis largitus est, et ab ecclesia multas alienavit possessiones; et quam male vixerit, propter reverentiam
monastice professionis minime dicenda sunt.« Ebenso Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1,
S. 99A: »[...] foris & intus dissipavit Christi patrimonium, & ab ecclesia multas alienavit possessiones.«
In seinen Miracula geht Galbert auf diesen Konflikt etwas näher ein. Demnach
habe Fulchard seinen Mönchen vorgeworfen, kein frommes Leben zu führen. Die
Brüder hingegen beschwerten sich darüber, dass ihr Abt sich nicht genügend um
ihr körperliches Wohlergehen kümmere. Fulchard habe die Mönche ermahnt und
gefordert, dass die ihm vom Bischof anvertraute Gemeinschaft sein gerechtes Ur-
teil zu akzeptieren habe, worauf die Brüder entgegneten, dass sie sich weder dem
Bischof unterwerfen, noch sich einer correctio oder einer Bestrafung unterziehen
werden. Stattdessen entschieden sie sich, das Kloster zu verlassen.974
Diese Passage ist von besonderem Interesse, da sie eine etwas andere Perspektive
bietet als der zitierte Brief Lamberts und die später entstandenen Texte. Diese zielen
in erster Linie darauf ab, Fulchard zu einem schlechten Abt zu stilisieren, der seinen
adligen Lebenswandel nicht abgelegt hatte und, wie die Annalen des Kloster zu
berichten wissen, Klosterbesitz an seine Verwandten ausgegeben habe.975 Eben dies
impliziert auch Galbert in seinen Miracula, wenn er berichtete, dass die Mönche
Fulchard vorwarfen, nicht für ihren Unterhalt zu sorgen. Er deutet damit letztlich
an, dass Fulchard Besitz der mensa conventualis veruntreut und dadurch den Un-
mut der Brüder hervorgerufen hatte.
Durch wen Bischof Lambert über den Zustand der Abtei von Marchiennes er-
fahren hatte, lässt sich mit Gewissheit nicht sagen. Die geflohenen Mönche dürften
jedoch das Ihrige dazu beigetragen haben. Galbert weiß zu berichten, dass sich
Fulchard schließlich an den bischöflichen Hof begeben habe und sich dort mit ei-
ner Vielzahl von Personen konfrontiert sah, die gegen ihn Klage erhoben und ihn
seiner Schuld überführen wollten. Hierüber erbost, habe er seinen Abtsstab vor die
Füße des Bischofs geworfen und damit, wie Galbert bemerkt, eigentlich sein Amt
Abbate, Fulchardo, quam a Fratribus ceteris, per diversa circumquaque loca gyrovagis & ab Abbate suo
discordantibus, derelictus.« Vgl. dazu auch Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1, S. 99 B: »Solus
in monasterio Conversus remanserat, nomine Fulchardus, Corpora sanctorum, [qu§ alioquin] cum ce-
teris deperissent, diligenter & cum summa veneratione custodiens.«
974 Galbert, Miracula, I, c. 2, S. 127F: »Ad hoc tarnen conabatur, ut redigeret locum in solitudinem, a quo
seminator discordiae inter oves & pastorem, proh nefas! pacis abstulerat unitatem. Pastor praetendebat
causam adversus oves, non servari ab eis Religionem; oves adversus pastorem sibi non sufficienter im-
pendi corpoream necessitatem. Pastor intimabat, ut res sese habebat, sibi praeceptum esse ab Episcopo,
ut quem gregem haberet sub manu sua, sibi repraesentaret justoque exerendo judicio; grex econtra ad-
ferebat, se non debere manui supponi Episcopali, correctioni vel supplicio. Hac igitur altercatione hac
illacque, proh dolor! partes faciente, atque inimico zizania discordiae seminante, atque virus antiquae
neci, propinatum diffundente, domus Dei negligebatur; servitio Dei neglecto, neglectis quoque sacris
altaribus, sacra aedes paulatim periclitabatur.«
975 Annales Marchiacenses, S. 615: »Ordinatus abbas, seculariter vivendo substantiam monasterii parentibus
suis largitus est, et ab ecclesia multas alienavit possessiones; et quam male vixerit, propter reverentiam
monastice professionis minime dicenda sunt.« Ebenso Andreas, Miracula Sanctae Rictrudis, II, c. 1,
S. 99A: »[...] foris & intus dissipavit Christi patrimonium, & ab ecclesia multas alienavit possessiones.«