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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0391
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 387

6.4. Das erinnerte propositum von Saint-Martin
Für Hermann bestand kein Zweifel daran, dass die erste Mönchsgeneration des
Martinsklosters durch ihr frommes und strenges Leben maßgeblich zum Erfolg der
Gemeinschaft beigetragen hatten. An ihr propositum sollte daher gerade im Kontext
der correctio erinnert werden.
Die Phasen bei der Herausbildung des propositum
In seinem Liber de restauratione zeichnet Hermann die Entwicklung des propo-
situm von Saint-Martin in seinen unterschiedlichen Phasen nach. Die ersten Jahre
der Bekehrten dürfen als eine Art Findungsphase bezeichnet werden, in der unter-
schiedliche Wege des religiösen Lebens eingeschlagen wurden. Nachdem allerdings
der Schritt zum Mönchtum und zu einem Leben nach der Benediktregel vollzogen
war, lassen sich drei Phasen erkennen.
Die erste Phase, die letztlich die erste Krise der Gemeinschaft auslöste und mit
der Rückkehr der Mönche nach Tournai endete, zeichnete sich nach Hermanns
Darstellung durch ein sehr individuelles und strenges Leben aus. Obgleich sich die
Gemeinschaft für ein Leben nach der Regula Benedicti entschieden hatte, orientier-
ten sich Odo und seine Mönche in erster Linie an den Werken Johannes Cassians,
was sich nicht zuletzt auch an einigen zeitgenössischen Handschriften aus Saint-
Martin belegen lässt.1560 Hermann bemerkt aber durchaus kritisch, dass die von
der Lektüre Cassians beeinflusste Entscheidung der Mönche, Tournai zu verlassen,
letztlich zur ersten Krise geführt hatte.1561
Dieser ersten Phase, die sich durch eine strenge Askese und den Wunsch nach
einem eher eremitischen Leben auszeichnete, folgte eine zweite Phase, in der das
Gemeinschaftsleben in geregelte Bahnen geleitet werden sollte. Bischof Radbods
Rat, sich an den Gewohnheiten eines bestehenden Klosters zu orientieren, wurde
daher entsprochen und die Gemeinschaft von Anchin ausgewählt, die zu jener Zeit
das einzige Kloster gewesen sei, das die religio und die Gewohnheiten von Cluny
befolgt habe.1562 Wie das Leben nun aber unter der vermeintlich »cluniazensischen«
1560 Die Texte Cassians sind überliefert in Douai, BR, ms. II 1010 und Paris, BnF, ms. lat. 2139.
1561 Hermann, Liber, c. 39, S. 78: »Domnus itaque Odo abbas factus cum monachis suis Instituta et Colla-
tiones seu Vitas Patrum assidue cepit legere, et quicquid legissent ilico volebant opere adimplere. Unde
factum est ut, zelum Dei habentes sed forte non secundum magnam scientiam, [...].«
1562 Hermann, Liber, c. 55, S. 97: »Cum ergo domnus Rabodus ecclesie nostre terras antiquas reddidisset,
veniens in capitulum consuluit abbati Odoni ceterisque fratribus, ne sibimet ipsis ulterius crederent
nec quecumque in Vitis Patrum legebant protinus facere vellent, sed potius aliquod cenobium eligerent,
 
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