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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0390
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386 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

Kirche für sein Kloster erworben und diese einem Priestermönch namens Radulf
anvertraut hatte, kamen Kanoniker aus Noyon, die sich bekehrt hatten und hier
ein abgeschiedenes Leben führen wollten.1557 Einer von ihnen, der, wie Hermann
bemerkt, zu den anderen wie ein Vater war, hieß Peter. Dieser sei ein so ausgezeich-
neter Mönch geworden, dass ihn nicht nur die Kleriker und Ritter, sondern auch
die Mönche anderer Regionen als Vorbild betrachteten. Viele Menschen seien des-
wegen zu ihm gekommen, um seine Ratschläge zu hören, die von Gott zu kommen
schienen. Er sei zudem so demütig gewesen, dass er selbst das Priesteramt ablehnte,
obgleich er von den anderen Brüdern darum gebeten wurde und dazu die Erlaubnis
des Abtes hatte. Er wollte auch mit niemandem sprechen, der zu ihm kam, solange
ihm der Prior dazu nicht die Erlaubnis gegeben hatte. Ferner habe er den Prior oft
daran erinnert, Almosen zu geben.1558
In der Person Peters versammelt Hermann also alle Tugenden und Ideale, die
ihm für ein vollkommenes monastisches Leben wichtig waren: Neben der Demut,
dem Gehorsam, dem Schweigen und der Nächstenliebe gehören auch seine gu-
ten Ratschläge zur Vollkommenheit. In letzteren spiegeln sich schließlich seine
Gelehrsamkeit, aber wohl auch seine Spiritualität und sein Charisma wider. Wie
vollkommen Peter war, wird auch in den besonderen Umständen seines Todes er-
sichtlich. So merkt Hermann an: »Er hat uns oft erzählt, dass er am Fest Cathedra
Petri getauft und später Mönch geworden sei, und dass er glaubte, auch an diesem
Tage zu sterben. Und dies geschah: An diesem Tag ging er von der Arbeit über in
die Ruhe. Er wurde unter großen Klagen der Brüder und Nachbarn in der Kirche
Saint-Amand begraben.«1559

1557 Zu Saint-Amand vgl. L. A. Gordiere, Le prieure de Saint-Amand.
1558 Hermann, Liber, c. 74, S. 128-129: »Inter quos quidam nomine Petrus, aliorum canonicorum quasi
pater existens, relicto seculo monachus factus duas optimas vineas Noviomi sitas dedit, tanteque religi-
onis esse cepit, ut non solum clericis et militibus, verum etiam totius provincie monachis se imitabilem
preberet, ita ut a multis frequentaretur et quasi divinitus datum consilium eius audiretur; ipse tarnen
humilitatis sue custos, nec ordinem presbiteratus, licet ab abbate et fratribus rogatus, suscipere voluit,
nec advenientibus nisi accepta a priore licentia loqui consensit, ipsum autem priorem frequenter de
elemosina pauperibus commonebat.« Zu den Almosen vgl. zudem ebd., c. 75, S. 129-130.
1559 Hermann, Liber, c. 75, S. 130: »Prefatus autem domnus Petrus, multociens nobis familiariter loquens,
dicebat, se in Cathedra sancti Petri natum et baptizatum fuisse et ad conversionem venisse, addens se
credere, quod in eodem festo moriturus esset. Quod et contigit. Nam in Cathedra sancti Petri de labo-
re, sicut credimus, ad requiem transiens, in claustro prope ostium ecclesie Sancti Amandi cum magno
fratrum et comprovincialium luctu sepultus est.«
 
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