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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0399
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 395

traut waren, durften das Kloster verlassen, die übrigen mussten ein abgeschiedenes
Leben in religio und silentium führen.1585 Odo selbst sei sehr froh darüber gewesen,
dass er sich fortan nicht mehr um die Angelegenheiten der Außenwelt kümmern
musste und sich voll und ganz auf ein Leben in Frömmigkeit und Stille konzent-
rieren konnte.1586
Neben dem Beispiel des Martinsklosters berichtet Hermann in seinen Werken
immer wieder voller spürbarer Begeisterung von Gemeinschaften, die seiner Dar-
stellung nach ein Leben in eremo gewählt hatten. In seinem Liber de restauratione
fällt dies vor allem im Zusammenhang mit Saint-Amand bei Noyon auf. Das Priorat
ging auf eine kleine dem heiligen Amandus geweiht Kirche in der Nähe der Burg
von Thourotte bei Noyon zurück, die wie das Martinskloster von Tournai verwaist
und so arm gewesen sei, dass weder ein Stück Land noch ein Haus dazu gehörte.
Nach Hermann habe dieser Ort fernab der Zivilisation gelegen und sei einem Pries-
termönch namens Radulf anvertaut worden, von dem man allerdings nicht erwartet
habe, dass er Bäume und Büsche ausreiße; stattdessen wurden ihm Nahrung und
Geld gesandt und mit Gottes Hilfe sei es ihm gelungen, diesen Ort zu verbessern. In
kurzer Zeit habe es ihm gefallen, Gott an einem Ort zu dienen, an dem er erst nichts
als eine verwaiste Kirche vorfand, die von Dornen umgeben war.1587 Hermann be-
schreibt diesen Ort als locus amoenus und stilisiert Radulf zu einer Art Eremit, der
dieses abgeschiedene Leben anfangs gezwungenermaßen führte, schon bald aber
dessen Vorzüge schätzen lernte und Gefallen daran fand.
Dass Hermann die Weltabgeschiedenheit durchaus als etwas sehr Positives an-
sah und bewunderte, wird schließlich auch in seinem Werk De miraculis mehr als
deutlich. Vor allem sein berühmter Bericht über die Gründung von Premontre lässt
dies erkennen. Bischof Bartholomäus habe Norbert nämlich zunächst angeboten
1585 Hermann, Liber, c. 69, S. 121: »Hiisque tribus totius ecclesie commendans in exterioribus provisionem,
ut sine licentia egrederentur permittit, ceteris ut secum religioni et silentio instarent indicit.«
1586 Hermann, Liber, c. 79, S. 133: »Super quo domnus abbas Odo valde gaudebat et Deo gratias agebat
quod sibi talem virum dedisset, qui se a sollicitudine vel tumultu exteriori prorsus immunem et liberum
esse faceret. Comissa namque ei totius ecclesie cura exteriorum, ipse religioni et silentio tarn ferventer
insistebat, [...].«
1587 Hermann, Liber, c. 74, S. 128: »In pago Noviomensi prope castrum quod dicitur Torota ecclesiolam
unam in honore sancti Amandi constructam invenit, sed ita vacuam et pauperculam, ut nec passum
quidem terre nec domum vel aliquid ad victum pertinens invenerit. Adamato itaque loco illo solitario
et longe ab hominium habitatione remoto, accedens ad domnum Baldri cum Noviomensem episcopum,
ecclesiolam illam nobis dari poposcit et impetravit. Inde contra voluntatem multorum nostri cenobii
monachorum, qui dicebant eum frustra tarn procul et in tanta solitudine laboraturum, a domno abba-
te Odone impetravit, ut illuc ire permitteret quendam monachum, presbiterum, genere Normannum
nomine Radulfum, qui pro infirmitate corporis laborem conventus non poterat sustinere. Hunc itaque
illuc mittens, nec tarnen fodere aut ligone silvam eradicare cogens sed de substantia et pecunia ecclesie
nostre ei tribuens, sic eundem locum gratia dei donante provexit, ut intra breve tempus plures ibi deo
servire gauderet, ubi primo nichil preter vacuam ecclesiolam vepribus circumseptam invenerat.«
 
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