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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0400
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396 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

sich in Saint-Martin in Laon niederzulassen, was dieser aber ablehnte, indem er
sagte: »Ich habe den großen Reichtum in Köln nicht aufgegeben, um in Laon nach
einem kleineren zu suchen: Ich möchte nicht in den Städten bleiben, sondern in
entlegenen und wüsten Orten leben.«1588 Der Bischof habe ihn daraufhin durch
seine Diözese geführt und unterschiedliche Orte gezeigt: zunächst Foigny im Wald
von Thierache, einen Ort, der für das monastische Leben geeignet war, weil es dort
Gewässer, Wald, Weiden und Ackerland gegeben habe, dann Thenailles und zuletzt
einen besonders unwirtlichen Ort mit Namen Premontre, den Norbert schließlich
als von Gott gewiesen betrachtete. »Diese Wälder, die heute genügend kultiviert
sind, waren damals die wildesten und am weitesten entlegenen Wälder und gerade
einmal gut genug für Wölfe und Wildschweine.«1589 In Premontre selbst habe es
lediglich eine kleine Kapelle gegeben, die dem Kloster von Saint-Vincent in Laon
gehörte und so gut wie verlassen war. Da es dort nichts zu essen gegeben habe,
musste Brot von woanders hergeholt werden.1590
Caritas
Die Vita Hugonis bezeichnet die caritas als vinculum perfectionis, ihr Verlust sei
unter anderem ein Grund für die Krise des Martinsklosters gewesen.1591 Umso
interessanter ist es, dass Hermann in seiner Chronik dem Ideal der caritas in Form
der Armenspeisungen einen sehr hohen Stellenwert einräumt und immer wieder
darauf zu sprechen kommt.
Eine zentrale Stelle betrifft Odos Einstellung zu diesem Ideal. Während der
bereits erwähnten Hungersnot habe er nämlich jedem, der zu ihm kam, zu essen
gegeben, so dass schließlich die gesamten Vorräte des Klosters aufgebraucht waren.
Odo habe daher schließlich drei Mönche zum Betteln in die Stadt geschickt. Die
Bewohner der Stadt erwiesen sich angesichts der prekären Situation des Klosters
als äußerst hilfsbereit und unterstützten die Gemeinschaft nach Kräften.1592 Diese
1588 Heriman, Les miracles, III, c. 3, S. 204: »Non idcirco, inquit, maiores divitas Colonie reliqui, ut mino-
res modo queram Lauduni: non in urbibus volo remanere, sed potius in locis desertis, et incultis.«
1589 Heriman, Les miracles, III, c. 3, S. 206: »Viderit ergo quiquis hec legerit cuius devotionis hic episcopus
fuerit, qui, relictis episcopalibus negotiis, hominem ignotum per tot silvestria, et invia loca, non sine
magno labore circumducebat, que, licet etiam hodie, cum iam a multis incoluntur, videantur horribilia,
tune tarnen nimis erant asperiora et terribiliora, utpote ab omni hominum inhabitatione procul remota,
solisque lupis et apris congrua.«
1590 Heriman, Les miracles, III, c. 4, S. 206-208.
1591 Vita Hugonis, c. 13, S. 336.
1592 Hermann, Liber, c. 69, S. 120-122: »Eodem anno victualium penuria et famis atrocitas totam provin-
ciam vehementer afflixit, et abbas Omnibus pauperibus ad se confugientibus quiequid habere poterat
misericorditer tribuere cepit, ita ut nec in horreo nec in cellario aliquid remanserit. [...] Ingrediuntur
 
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