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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0401
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6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 397

zweite existenzielle Krise der Gemeinschaft wurde somit erneut durch den Über-
eifer des Abtes verursacht, hatte allerdings eine sehr wichtige und positive Folge,
nämlich die Unterstützung des sozialen Umfelds.
Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Beispiel des Priorats von Saint-Amand.
Als die dortigen Mönche eines Tages angesichts einer großen Hungersnot in der
Gegend selbst in tiefe Not geraten waren, habe ihnen ihr Prior Radulf die Anwei-
sung gegeben, wie die Armen um Nahrung zu betteln. Einer der Mönche namens
Peter wünschte aber, dass die gewohnte Zahl der an die Armen gegebenen Brote
nicht sinken dürfe. Kurz nachdem die ersten Armen gekommen waren, teilte ihm
sein Mitbruder mit, dass alle Brote bereits verteilt seien. Peter habe daraufhin ge-
sagt: »Gehe hin und sieh nach, etwas Brotkrume wird noch da sein!« Als dieser
aber erwiderte, er habe soeben die leere Truhe gesehen, beharrte Peter darauf. Weil
der Bruder ermahnt wurde, tat er wie ihm befohlen und fand eine Truhe angefüllt
mit Brot vor. Der Prior Radulf begann nun damit, das Brot reichlich an die Armen
zu verteilen, so dass keinem eine Ration verwehrt blieb. Ihm schien es, als würde
die Armut seines Hauses durch Gottes Willen gemindert, umso mehr er verteilte.
So sei die kleine Kirche von den Nachbarn geliebt und frequentiert worden. Viele
Männer und Frauen, nicht nur aus der Gegend von Noyon, sondern auch aus der
Gegend von Compiegne und anderen Orten seien hierher gekommen, um der Welt
zu entsagen, und schenkten dieser Kirche viele Dinge.1593
Die Hungersnot, die die Gemeinschaft selbst in schwere Armut stürzte, kam
nach Hermanns Darstellung einer Probe Gottes gleich, die darauf abzielte, die rech-
te monastische Gesinnung der Brüder zu ermitteln. Vor allem durch das Festhal-
ten an der caritas, einem Ideal, das durch die Armenspeisung für jedermann offen
sichtbar war, konnte die Gemeinschaft ihr frommes und aufopferungsvolles Leben
gegenüber ihrer Umwelt unter Beweis stellen; längerfristig konnten sie sogar wirt-
schaftlich davon profitieren.1594 Besonders interessant an dieser Geschichte ist die
deinde portam urbis, et civibus sibi occurentibus ac veluti de longa carceris custodia ereptis quomodo
se haberent inquirentibus, illi leto vultu omnia prospera esse respondent, sed post paululum eis neces-
sitatem fratrum innotescunt. Protinus cives invicem colloquentes et alio frumentum, alio siliginem, alio
fabas dante, eos exhortantes et confortantes, hilares et letos ad fratres remittunt.«
1593 Hermann, Liber, c. 75, S. 129-130: »[...] ita ut usque in hodiernum diem prefata Sancti Amandi eccle-
siola a vicinis multum diligatur et frequentetur, iamque non solum de Noviomo, sed etiam de Com-
pendio aliisque propinquis locis plures tarn viri quam matrone ad conversionem venientes eidem loco
multa conferant [...].«
1594 Ein sehr ähnliches Beispiel findet sich in De miraculis, wo Hermann auf Saint-Martin in Laon zu spre-
chen kommt. Auch dieses Kloster sei anfangs äußerst arm gewesen, habe aber durch das Festhalten an
den monastischen Tugenden großen Erfolg gehabt. Vor allem die caritas und die Aufnahme von Gästen
sei dort besonders stark gefördert worden. Heriman, Les miracles, III, c. 5, S. 212: »Paupertatem tarnen
tantam in primis ibi sustinuit ut preter unum asinum, Burdinum nomine, nichil pene aliud haberent,
quem in proximam silvam Vosagum mane ducentes, lignaque cesa dorso eius imponentes, Laudunum
reducerent, et ex venditis lignis panem sibi emerent, multociens iam diu ieuni manentes, donec panis ille
 
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